EU berät Neuverteilung von Flüchtlingen

EU-Parlamentspräsident Schulz fordert eine gerechtere Aufteilung. Italien & Co. sind am Limit.

Nach der Flüchtlingstragödie vor Lampedusa werden – wieder einmal – Rufe laut nach Änderungen in der europäischen Flüchtlingspolitik. Beim Treffen der EU-Innenminister am Dienstag soll es eine erste Diskussion über mögliche Gesetzesänderungen geben. Man wolle unter anderem beraten, „welches EU-Recht geändert werden muss und welche Solidarsysteme aufgebaut werden müssen“, sagt EU-Justizkommissarin Viviane Reding.

Die große Frage ist: Soll es eine Vergemeinschaftung der Flüchtlingspolitik geben?

„Gerechte Verteilung“

EU berät Neuverteilung von Flüchtlingen
Ja, sagt Parlamentspräsident Martin Schulz in derBild-Zeitung: „Es ist eine Schande, dass die EU Italien mit dem Flüchtlingsstrom aus Afrika so lange allein gelassen hat.“ Man müsse angesichts der Flüchtlingsströme nach Europa über eine gerechtere Verteilung der Lasten nachdenken. In diese Richtung stößt auch der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger: „Die Frage ist, ob Italien alleine in der Lage ist, diese Außengrenze kompetent, aber auch menschengerecht zu sichern und zu handeln – oder ob es eines Mechanismusses für die Verteilung von Flüchtlingen bedarf.“

In der Praxis würde das nicht weniger als eine 180-Grad-Wende in der EU-Flüchtlingspolitik bedeuten.

Denn Grenzschutz ist in der EU Sache der Nationalstaaten. Hilfe aus Brüssel gibt es nur, wenn die Länder sie anfordern: So hat die EU-Grenzschutzagentur Frontex in den vergangenen Jahren beispielsweise Griechenland dabei geholfen, seine Außengrenze zur Türkei besser zu sichern. Auch in Lampedusa war Frontex schon im Einsatz.

In der Asyl-Politik gibt es zwar gemeinsame Regeln – aber auch die gehen eher zulasten der „äußeren“ EU-Staaten: Geregelt ist, dass Asylverfahren in jenem Land stattfinden müssen, in dem der Asylwerber die Union betritt. EU-Diplomaten halten es für unwahrscheinlich, dass sich an dieser „Dublin II“-Verordnung in absehbarer Zukunft etwas ändern könnte.

Insgesamt lässt sich die EU-Politik gegenüber Flüchtlingen in die Kategorie „Boot voll, Grenzen dicht“ zusammenfassen, wie ein Diplomat sagt: „Getan wird vor allem viel für die Sicherung der Außengrenzen. Und für jene, die diese überwinden, will dann möglichst niemand zuständig sein.“

Dahinter steckt auch die simple Erkenntnis, dass Europa all jene, die hierher wollen, in seine Wohlfahrtsstaaten nicht aufnehmen kann oder will – nüchtern betrachtet wohl beides.

Flucht nach Europa
Steigende Zahlen: Etwa 300.000 Menschen haben im Vorjahr in Europa Asyl gesucht, das sind sieben Prozent mehr als 2011.
Fluchtrouten: Vier Hauptrouten führen nach Europa: Von Libyen und Ägypten nach Italien und Malta, von Marokko auf das spanische Festland, bzw. in die Exklaven Ceuta und Melilla, von der Türkei nach Griechenland, von Westafrika auf die Kanaren. Die meist- frequentierte Route ist die nach Griechenland mit mehr als 40.000 Menschen, dahinter die nach Italien mit 25.000 pro Jahr.
Opfer
: Es existieren nur Schätzungen über die Anzahl an Migranten, die im Mittelmeer umgekommen sind: Etwa 2000 Tote pro Jahr.

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