Die Not mit der Obergrenze: Die Asyl-Verordnung im Praxistest

Sammelzentrum Spielfeld
Die Notstandsverordnung bleibt ein Zankapfel. Der KURIER beantwortet zentrale Fragen zur Einhaltung der Obergrenze von 37.500 Flüchtlingen.

Die Regierung streitet im Flüchtlingsbereich über die Notstands- bzw. Sonderverordnung. Worum geht es?

Die Notstandsverordnung wird seit Monaten von der ÖVP forciert und wurde erst vor Kurzem von der SPÖ zähneknirschend akzeptiert. Nun ging ein Entwurf in Begutachtung. Offen ist, wann die noch unter Kanzler Werner Faymann gezogene Obergrenze von 37.500 Flüchtlingen erreicht sein wird und wann daher die Verordnung in Kraft gesetzt werden muss, damit man dann Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen kann.

Warum ist das schwierig abzuschätzen?

Mitte Juli hat Innenminister Wolfgang Sobotka erklärt, die Asyl-Obergrenze werde heuer nicht erreicht. Dennoch drängt er darauf, die Notverordnung so rasch wie möglich umzusetzen – als politisches Signal gedacht, die ÖVP will vorbereitet sein.

Die SPÖ bremst von Anfang der Debatte an und hat sogar auf dem Begriff "Richtwert" statt "Obergrenze" bestanden. Bundeskanzler Christian Kern steht auf dem Standpunkt, dass man die Verordnung erst in Kraft setzt, wenn die 37.500 erreicht sind. So sei es auch mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner vereinbart. Hier irrt der Innenminister, sagte Kern am Mittwoch sinngemäß zum KURIER. Sobotka hatte erst am Dienstag im ORF gemeint: Hier irrt der Bundeskanzler, "ein Feuerwehrauto zu kaufen, wenn es brennt, macht wenig Sinn".

Wie lauten die Fakten?

Bis Ende August wurden rund 27.000 Flüchtlinge zum Asylverfahren zugelassen. Das ist die relevante Zahl für die Berechnung der Obergrenze. Pro Woche kommen rund 700 Asylverfahren dazu, das sind 2800 pro Monat. Wenn man September bis Dezember aufaddiert, kommt man heuer auf 38.200 Flüchtlinge (25.000 plus vier Mal 2800) und damit etwas über die Obergrenze.

Was passiert mit den Flüchtlingen, die an der Grenze abgewiesen werden?

Diese Flüchtlinge stranden höchstwahrscheinlich im Niemandsland zwischen Österreich und Ungarn. Kern hat am Montag im ORF-Sommergespräch von speziellen Grenzstreifen gesprochen, auf denen die Regierung vor hat, gemischt österreichisch-ungarische Patrouillen einzusetzen. Das kann nur dazu dienen, ein Weiterkommen der Flüchtlinge zu unterbinden.

Warum droht Sobotka Ungarn dennoch mit einer Klage vor dem EuGH?

Neben der punktuellen Zusammenarbeit, etwa auch an der ungarisch-serbischen Grenze, weigert sich Budapest generell Flüchtlinge zurück zu nehmen. Man sei in aller Regel nicht das erste EU-Land, in das Flüchtlinge nach Europa kommen und verweist auf Griechenland. Dorthin müssten die Flüchtlinge zurück.

Droht auch Österreich eine Klage vor dem EuGH?

Ja, denn Brüssel ist der Ansicht, dass die Obergrenze nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Daher spricht das Innenministerium in allen möglichen Bereichen (Arbeitsmarkt, Schulen, Behörden etc.) von einem Notstand. So kann man die Notstandsverordnung am ehesten vor dem EuGH argumentieren.

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