Flüchtlinge in Bosnien: "Moria vor unserer Haustür"

Migrants in Bihac City, Bosnia
Flüchtlingslager Lipa nahe der kroatischen Grenze geräumt: 700 Geflüchtete in Bussen Richtung Sarajevo gebracht. Wie es zu der Krise kam.

Als "Moria vor unserer Haustür" ist das Flüchtlingslager Lipa in Westbosnien in den vergangenen Tagen bekannt geworden. (Den Begriff brachte die österreichische Organisation SOS Balkanroute ins Spiel, in Anspielung auf das Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos, Anm.) Das maximal als provisorisch zu bezeichnende Lager aus Zelten und Containern liegt in Westbosnien, nahe der kroatischen Grenze. Weitab von der nächsten Stadt, Bihac. Erreichbar nur auf unbefestigten Straßen. Denn der Kanton Una-Sana hatte sich vor einiger Zeit dagegen ausgesprochen, Flüchtlingslager in der Nähe von Städten anzusiedeln.

1.000 Menschen sollten dort, in Lipa, nach der Schließung des Lagers Bira bei Bihac im April Unterkunft finden, zuletzt waren 1.400 dort. Strom und Wasser hatten die Bewohner - Männer aus Syrien, Irak, Afghanistan und Pakistan - seither nie.

Der bosnische Ministerrat beschloss am 21. Dezember, dass das Lager von einer "Notlösung" zum dauerhaften Aufnahmezentrum umgebaut werden soll. Doch aufgrund fehlender Infrastruktur - insbesondere für den Winter - hat die Internationale Organisation für Migration (IOM) das Camp am Mittwoch geschlossen. Monatelang hatte man vergeblich darauf gewartet, dass die bosnischen Behörden ihre Versprechungen diesbezüglich wahrmachen.

Vor wenigen Tagen steckten schließlich Bewohner Zelte und Container in Brand. Erst da wagte auch der Rest Europas einen Blick auf die Balkanroute.

Von Bussen abgeholt

Nun sind die rund 700 verbliebenen Geflüchteten aus dem Lager Lipa offenbar evakuiert worden. Laut dem regionalen Internetportal TV "N1" standen insgesamt elf Busse zur Umsiedelung bereit. Welche Destination sie hatten, war zunächst unklar. Wie das Rote Kreuz der APA mitteilte, sollten die Menschen in Richtung Sarajevo gebracht werden.

Das Rote Kreuz habe zu Mittag im Camp Lipa noch Essen an die etwa 700 Personen verteilt. Nun werde das Aufnahmelager geräumt, hieß es. Vertreter des Innenministeriums und der Grenzpolizei seien vor Ort. Es sei höchste Zeit, dass die Menschen "nicht mehr in der Kälte frieren müssen und menschenwürdig untergebracht werden, so Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer.

Der Innenminister des Kantons Una-Sana, Nermin Kljaic, begrüßte die Umsiedelung. Er habe aber keine offiziellen Informationen darüber, wohin die Migranten gebracht werden, sagte Kljaic laut dem Sender N1. Die bosnische Regierung koordiniere die Umsiedelung.

Zustände "menschenunwürdig"

Das Camp Lipa liegt in einem unwirtlichen Gelände 25 Kilometer südöstlich von Bihac. Es war im September errichtet worden, nachdem die bosnischen Behörden die Schließung des Lagers Bira, einer alten Fabrikshalle, am Stadtrand von Bihac erreicht hatten. Die Flüchtlinge und Migranten sollten durch diese Maßnahme aus dem Stadtbild der 60.000-Einwohner-Stadt im Nordwesten Bosniens verschwinden.

Schon zuvor war Kritik an Bosniens Umgang mit Flüchtlingen laut geworden, als rund 800 Migranten im Vorjahr in Vucjak bei Bihac auf einer ehemaligen Deponie untergebracht worden waren.

Wohnen in Wäldern und Ruinen

Mehrere Tausend Flüchtlinge und Migranten sollen sich auf bosnischen Gebiet befinden - mit dem ursprünglichen Ziel, in die EU zu gelangen. Die IOM betreibt sechs Camps in Bosnien, die Tätigkeit privater Flüchtlingsorganisationen ist im Grenzkanton Una-Sana seit Mai verboten.

Hunderte Menschen sollen in informellen Lagern in Zelten, Wäldern und leerstehenden Häusern untergekommen sein. Viele betteln oder verkaufen Taschentücher auf Straßen und sind nicht nur den winterlichen Witterungen ausgesetzt, sondern auch Angriffen von rechten Milizen und der gewaltsamen Behandlung von Grenzpolizisten.

NGOs berichten zudem, dass viele jener Migranten, die es über die EU-Außengrenze nach Kroatien schaffen, von dort illegal - also ohne die Möglichkeit, Asyl zu beantragen - zurückgeschickt werden.

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