Flüchtlinge: Große Sorge in der EU, ob Abkommen mit der Türkei hält

Täglich kommen rund 4000 Flüchtlinge aus der Türkei auf griechischen Inseln an.
Migration, Terror, autoritäre Regime in Polen und Ungarn, Brexit-Gefahr und Personalpoker machen 2016 zum EU-Schicksalsjahr.

"Die Misere managen" – lautet der Handlungsauftrag der europäischen Spitzenpolitiker für die kommenden Monate. In erster Linie gilt es, den Flüchtlingsstrom aus der Türkei einzuschränken. Ende November wurde dazu ein Pakt mit Ankara geschlossen, der die EU zu hohen Gegenleistungen verpflichtet. "Von türkischer Seite ist seither aber so gut wie nichts passiert", sagt ein hoher EU-Diplomat dem KURIER.

Entsprechend groß ist die Nervosität in Brüssel. Kommission, Parlament und die Gruppe der Willigen, die von Angela Merkel und Werner Faymann angeführt wird, tun alles gegen die anhaltende Flüchtlingswelle und für eine faire Lastenteilung. Bald gibt es wieder ein Treffen mit der Türkei.

Ein wichtiges Datum für einen Reform-Deal mit Premier David Cameron ist der Februar-Gipfel. Dann wird die EU sagen, ob und wie sie bereit ist, auf Londoner Wünsche einzugehen, um die Briten in der EU zu halten. Spätestens 2017 gibt es dazu ein Referendum. Einen EU-Austritt Britanniens (Brexit) will aus ökonomischen und außenpolitischen Gründen niemand in der EU.

Polen-Sanktionen

Eine enorme Herausforderung für die EU ist die autoritäre Entwicklung der rechtskonservativen Regierung in Polen. Zwei Mahnbriefe hat die Kommission bereits nach Warschau geschickt, am 13. Jänner will sie konkrete Maßnahmen gegen den Abbau des Rechtsstaates, die Aushebelung der Gewaltenteilung und die Einschränkung der Pressefreiheit beschließen. Polen könnten Sanktionen drohen, wie der Entzug der Stimmrechte im Rat und das Einfrieren der EU-Fördermittel. Polen bekommt rund 13 Milliarden Euro pro Jahr.

Massiv bedrängt ist die EU auch durch den islamistischen Terror. Eine entschlossene Gegenstrategie fehlt.

Nicht gelöst sind der Ukraine-Konflikt sowie die Beziehungen zu Russland.

Auf der Agenda der EU steht nach wie vor Griechenland. Gerettet ist der Schuldenstaat noch lange nicht.

Bedrohlich sind nach wie vor die hohen Arbeitslosenraten, vor allem unter jungen Menschen, sowie das geringe Wirtschaftswachstum.

Im Spätherbst muss die EU wichtige Personalentscheidungen treffen. Die Amtszeit von Parlamentspräsident Martin Schulz läuft Anfang 2017 aus, jene von Ratspräsident Donald Tusk im Sommer 2017. In Brüssel werden solche machtvollen Jobs im Paket geschnürt und politisch austariert, nämlich großkoalitionär, vergeben.

Die ehemalige Außenministerin Ursula Plassnik dürfte schon bald von Paris an die Botschaft in Bern wechseln. Der Abgang der Spitzendiplomatin löst in Brüssel bereits heftige Personal-Spekulationen aus.

Hinter vorgehaltener Hand hört man, dass EU-Botschafter Walter Grahammer Plassnik nachfolgen könnte. Der Karriere-Diplomat und ausgewiesene Europa-Experte übt seit Ende 2010 den härtesten, aber spannendsten Job aus, den das Außenamt zu vergeben hat. Ein Wechsel nach fünf Jahren wäre für den 62-jährigen studierten Romanisten ein Heimspiel.

Die Frage, die sich in Brüssel viele stellen, ist nun, wer Grahammer in die für Österreich politisch wichtigste und größte diplomatische Vertretung folgt?

Drei Namen zirkulieren in höchsten EU-Ratskreisen. Botschafter Thomas Oberreiter, der Stellvertreter von Grahammer an der EU-Vertretung, wird oft genannt. Als heißer Favorit gilt auch der österreichische Botschafter in Berlin, Nikolaus Marschik. Er war zuvor Kabinettschef von Außenminister Sebastian Kurz. Und der dritte Name, der kolportiert wird, ist jener des Leiters des Strategie- und Planungsstabes im Außenministerium, Alexander Schallenberg. Alle drei genannten Spitzendiplomaten sind in Brüssel bestens vernetzt.

Seit dem EU-Beitritt Österreichs im Jahr 1995 wurde der Job in der europäischen Hauptstadt immer im koalitionären Einvernehmen vergeben. Bis auf Hans Dietmar Schweisgut (2007 bis 2010), der als SPÖ-nahe galt, kamen bisher alle EU-Botschafter aus der ÖVP bzw. wurden der ÖVP zugeordnet.

Sollte es Grahammer nach Paris ziehen, wird auch diesmal erwartet, dass sich Bundeskanzler Werner Faymann und Außenminister Kurz über diesen politisch heiklen und anspruchsvollen Posten einigen.

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