Schweden, Deutschland, Kanada – eine ganze Reihe von Ländern hat sich in den vergangenen Jahren zu einer feministischen Außenpolitik bekannt, sie zum Teil auch wieder aufgekündigt. Die feministische Wissenschafterin Toni Haastrup berät Regierungen, EU und UNO dazu. Derzeit pralle Feminismus auf Aufrüstung, sagt sie – und Trump.
KURIER: Rechte Politiker feiern dieser Tage große Erfolge. Viele von ihnen fahren eine anti-feministische Politik. Warum funktioniert das?
Toni Haastrup: Einige sprechen von einem Gender Backlash. Aber ich frage mich: Eine Gegenbewegung wozu? Es wäre anders, wenn die Frauen an der Macht wären und die Männer sie sich jetzt zurückholen wollten. Aber das ist nie passiert. Es besteht nur die Annahme, dass es so ist.
Ich habe die Antwort noch nicht gefunden. Aber ich glaube, dass dieser Eindruck mit den gestiegenen Preisen zu tun hat. Diese Männer versuchen, die Welt zu verstehen. Und politische Akteure nutzen das, um an der Macht zu bleiben.
Klar ist aber, dass solche Politikansätze die Sicherheit von Frauen massiv gefährden. Im Beispiel Trump etwa, indem er die US-Hilfsprogramme im Ausland kürzt, aber auch im eigenen Land, indem er den Frauen ihre reproduktiven Rechte einschränkt.
Es gibt verschiedene Auffassungen von feministischer Außenpolitik. Was bedeutet der Begriff für Sie?
Mehr als Geschlechtergleichstellung, viel stärkere Inklusivität. Was sie letztlich für jedes Land bedeutet, hat mit der jeweiligen Geschichte zu tun. Kolumbien zum Beispiel hat feministische Perspektiven in seine Friedens- und Wiederaufbaustrategie eingebracht. Schottland hingegen hat sich zu feministischer Außenpolitik bekannt, um sehr deutlich zu artikulieren, wie es – unabhängig von der Zentralregierung – die Welt sieht. Mexiko wollte sie einführen, weil es so viele Femizide gibt, auch wenn die Frauenmorde im eigenen Land so nicht verhindert werden.
Feministische Außenpolitik will patriarchale Strukturen und Gewaltverhältnisse abbauen. Geschlechtergerechtigkeit ist dabei eine zentrale Voraussetzung für Frieden, aber meist auch die Überwindung anderer Diskriminierungsformen, wie Rassismus oder Homophobie.
Laut der deutschen Feministin Kristina Lunz, sie hat mehrere Bücher zum Thema Feministische Außenpolitik veröffentlicht, zeigen Studien: „Wenn Frauen an Friedensverhandlungen beteiligt sind, geben Regierungen mehr Geld für menschliche Sicherheit und weniger für Militarisierung aus.“ Das liege vor allem an der patriarchalen Gesellschaft, die unterschiedliche Sicherheitsbedürfnisse und Gewalterfahrungen für Männer und Frauen erzeuge, so Lunz in einem Gespräch mit dem KURIER 2023.
Feminismus ist nicht gleich Feminismus. Es gibt zahlreiche verschiedene feministische Strömungen, die einander zum Teil auch stark widersprechen. Sie alle zielen aber darauf ab, die Rechte von Frauen zu stärken. Der 8. März gilt als Internationaler Frauentag.
Was sind konkrete Beispiele für feministische Außenpolitik-Maßnahmen?
Kanada hat sich dazu verpflichtet, dass ein hoher Prozentsatz seiner Hilfsinitiativen zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen muss. Vergangenes Jahr hat man eine Prüfung durchgeführt und gesagt: „Vielleicht hat es etwas bewirkt, aber wir sehen nicht wirklich, was.“ Hier gibt es eine Forschungslücke, und das ist ein Problem. Denn alles ist auf Programme zugeschnitten. Ich sage den Regierungen, die ich berate, immer: „Wenn ihr Feminismus nachhaltig einweben und wirklich transformativ sein wollt, dauert das. Ihr werdet das nicht in ein paar Jahren messen können.“
Die Frauen in den betroffenen Ländern spüren durchaus rasch, was sich getan hat und ob die Unterstützung von Akteuren mit einem feministischen Weltbild kommt oder nicht. Hilfe ist nicht immer geschlechtergerecht.
Toni Haastrup ist Professorin und Inhaberin des Lehrstuhls für Globale Politik an der Universität Manchester. Sie berät Regierungen, Organisationen und Bündnisse, und bietet Einblicke in feministische Politik. Zudem forscht sie zu den Beziehungen zwischen Afrika und der EU und Globaler Sicherheitspolitik. In ihren jüngsten Arbeiten untersucht sie, wie geschlechtsspezifische Praktiken Frieden und Sicherheit weltweit beeinflussen.
Kürzlich trat sie bei einer Podiumsdiskussion in der Diplomatischen Akademie Wien auf, organisiert vom Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation (VIDC).
Weitere Maßnahmen: Kolumbien hat in der Regierung selbst angesetzt und sich gefragt: „Wer war für den Friedensprozess wichtig?“ Jetzt ist eine Schwarze Frau, Francia Márquez, Vizepräsidentin. Spanien lobbyiert auf multinationaler Ebene für feministische Politik.
Das Militär hat in Europa wieder an Bedeutung gewonnen. Feministinnen kritisieren das. Müssen militärische und feministische Wertvorstellungen konkurrieren?
Als feministische Außenpolitik salonfähiger wurde, ist viel Enthusiasmus ausgebrochen. Dabei haben wir zu wenig darüber nachgedacht, wo Außenpolitik und Feminismus zusammenkrachen. Ich forsche gerade zur Frage: Wie feministisch kann ein Land sein, wenn es sich den Werten der NATO voll und ganz verpflichtet? Es gibt sehr gute Gründe, sich diesen Werten zu verpflichten. Aber die NATO ist ein militärisches Bündnis. Feminismus ist nicht immer pazifistisch, aber hinterfragt Militarisierung in der Regel zumindest kritisch.
Verfolgt man einen liberal feministischen Ansatz und fokussiert sich nur auf die Gleichstellung der Geschlechter, könnte man versuchen, mehr Frauen ins Militär zu bringen. Für mich ist Feminismus aber intersektional, beschäftigt sich mit verschiedenen Systemen hierarchischer Unterdrückung. Und die hierarchischste Institution eines Staates ist sein Militär. Das bedeutet nicht, dass es nichts Gutes tut. Aber was genau ist die Absicht des Militärs? Was passiert innerhalb seiner Strukturen? Das sind für mich auch feministische Fragen.
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