Explosionen und Schießereien setzen Schweden weiter zu

Explosionen und Schießereien setzen Schweden weiter zu
Nachdem am Dienstag 20 Menschen bei einer Explosion verletzt wurden, geht die Polizei von einer "vorsätzlichen Tat" aus.

Eine schwere Detonation in einem Mehrfamilienhaus, 20 Verletzte, darunter vier Schwerverletzte. Wieder einmal erschütterte eine Sprengstoffexplosion am Dienstag die schwedische Stadt Göteborg, die Fahndung nach dem Täter ist im Gange.

Da solche Explosionen in Schweden in den vergangenen Jahren oft mit kriminellen Banden zu tun hatten, war zunächst der Verdacht aufgekommen, dass auch diese Detonation darauf zurückzuführen sei. Seit Jahren halten Kämpfe zwischen kriminellen Banden Schweden in Atem. Meist kommen diese Gangs aus der migrantischen Gemeinde, wie Premier Stefan Löfven im September sagte. „Wenn man eine Einwanderung hat mit einer Größenordnung, die eine Integration erschwert, so führt dies zu sozialen Spannungen“, gestand der Sozialdemokrat ein. Das gilt vor allem für die großen Städte und ihre Vororte, aber auch über Stockholm, Göteborg und Malmö hinaus. Die Polizei sorgt sich besonders um Kinder und Jugendliche, die in kriminelle Kreise hineingezogen werden. Im Sommer wurden zwei spielende Kinder von Kugeln getroffen.

Mittlerweile geht die Polizei davon aus, dass der Täter am Dienstag die Explosion zwar vorsätzlich herbeigeführt habe. Bisherigen Erkenntnissen zufolge bestehe jedoch kein Zusammenhang mit der Bandenkriminalität. Doch w er sind diese Gangs und was wollen sie erreichen? Das hat der Kriminalreporter Lasse Wierup 2020 in einem Buch mit dem Titel „Gangsterparadiset“ - das Gangster-Paradies - zu erklären versucht. Darin beleuchtet er, wie sich das als so friedlich geltende Land zum Schauplatz für Bandenkriminalität, Schießereien und vorsätzlich herbeigeführte Explosionen entwickeln konnte. Laut Wierup gibt es mittlerweile mindestens 350 kriminelle Konstellationen in Schweden.

Seit einiger Zeit sind die Detonationen seltener geworden - was nicht bedeutet, dass es friedlicher geworden wäre auf Schwedens Straßen. Im Gegenteil: Angesichts unzähliger Konflikte zwischen den Gangs kam es seit Jahresbeginn zu mehr als 220 Schießereien. Bis Ende August starben 35 Menschen. Vor Monaten wurde ein 33 Jahre alter Polizist in Göteborg auf offener Straße erschossen, als er sich nachts im Problemviertel Biskopsgården im Gespräch mit mehreren Personen befand.

Es wird davon ausgegangen, dass der Beamte nicht gezielt ins Visier genommen wurde. Gleiches gilt für die zwei Kinder, die Mitte Juli im Stockholmer Vorort Huddinge von Schüssen verletzt wurden. Es war der nächste Fall, bei dem Kinder zwischen die Gang-Fronten gerieten: Ein nächtlicher Schuss nahe einer Tankstelle in Botkyrka bei Stockholm hatte im August 2020 ein zwölfjähriges Mädchen getötet. Schweden war schockiert.

Die Schützen sind meist junge Männer und immer häufiger Teenager. „Der durchschnittliche Täter ist etwa 20 Jahre alt und wohnt in einem sogenannten gefährdeten Gebiet“, sagt Kriminalreporter Wierup der Deutschen Presse-Agentur - im Deutschen würde man diese „utsatt område“ wohl am ehesten als Problembezirk bezeichnen. „Der neue Trend ist jedoch, dass Minderjährige eine immer größere Rolle spielen.“ Ein Grund dafür: Der Polizei ist es durch die Entschlüsselung der App EncroChat gelungen, ältere Kriminelle zu fassen.

Kinder und Jugendliche werden von den Gangs auch beim Verstecken und beim Transport von Drogen und Schusswaffen ausgenutzt, wie Informationen aus den entschlüsselten Chats zeigten. „Ich bin tatsächlich ziemlich besorgt um unsere Zukunft“, sagte der örtliche Polizeichef in Sollentuna im Norden Stockholms, Christoffer Bohman, im SVT.

Was macht Schweden falsch? Eine der wichtigsten Erklärungen für die eskalierende Gang-Gewalt ist nach Ansicht von Wierup die geringe Aufklärungsquote. „Die kurze Antwort ist, dass der Preis, ein Gangster-Leben in Schweden zu führen, oft niedrig ist“, sagt er. „Viele Junge, nicht zuletzt die, die aus anderen Ländern eingewandert sind, entdecken, dass man viele Straftaten begehen kann, ohne zu einer empfindlichen Strafe verurteilt zu werden.“

Die schwedische Gesetzgebung stamme in der Hinsicht aus einer anderen Zeit, sagt Wierup. Im Reichstag in Stockholm habe man letztlich eingesehen, dass man etwas tun müsse, und mehrere verschärfte Gesetze auf den Weg gebracht. Löfvens kritisierte Regierung legte Mitte Juni einen 34-Punkte-Plan vor, um die Gangs in den Griff zu bekommen. „In Schweden sollen alle sicher sein, egal wo man wohnt“, heißt es darin. Das Problem für Kriminalreporter Wierup: Die kriminellen Netzwerke haben sich in den verlorenen Jahren längst etabliert - diese zu „brechen“, wie es Löfven häufig versprochen habe, sei deshalb keine leichte Aufgabe für die unterbesetzte Polizei.

 

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