Ex-Außenminister des Iran: "Rechnen mit Hilfe unserer Freunde"
Seit Wochenbeginn sind verschärfte US-Sanktionen gegen den Iran in Kraft. Der KURIER und andere Pressevertreter fragten Ex-Außenminister Kamal Kharrazi, Berater von Präsident Rohani, zu seiner Sicht auf die drängenden Themen des Iran. Kharrazi hielt sich anlässlich eines vom österreichischen Institut für Europa- und Sicherheitspolitik organisierten Forums in Österreich auf.
Welche Möglichkeiten bleiben dem Iran noch, um einen wirtschaftlichen Zusammenbruch zu verhindern?
Es ist zwar ein Problem, das nicht nur uns sorgt, sondern auch alle anderen Länder. Sie werden sich damit beschäftigen müssen. Wenn die USA versuchen, den Iran wirtschaftlich in Schwierigkeiten zu bringen, ist das nicht zum ersten Mal, dass wir unter enormem Druck stehen. Das hatten wir bereits nach der Revolution. Aber bis heute ist es uns gelungen, die Schwierigkeiten zu überstehen. Der Wille aller Iraner ist sehr groß, das zu überstehen. Auch unsere Ressourcen sind viele. Die Kombination aus dem Willen der Nation und der Ressourcen schaffen wir es. Wir rechnen mit der Unterstützung unserer Freunde. Mit Hilfe der EU werden wir gemeinsam eine Lösung für diese schwierige Zeit finden.
Sind Sie in Sorge, dass durch die wirtschaftliche Situation der Ärger der Bevölkerung größer werden könnte?
Der Ärger ist bestimmt da. Diejenigen, die bereits jetzt in finanziellen Schwierigkeiten sind, werden mehr von dem wirtschaftlichen Druck spüren. Andererseits sind Iraner Patrioten, die nicht dazu bereit sind, ihre Souveränität zu verkaufen. Sicher gibt es auch im Iran Menschen, die unter externem Einfluss stehen. Aber das sind die Minderheiten. Es gab bereits einige Aktivitäten, die von außerhalb beeinflusst wurden. Wir haben ausländische Feinde. Es besteht keine Sorge, dass es zu weiteren Eskalationen kommen könnte.
Einige patriotische Iraner verstehen nicht, warum der Iran so viel Geld im Irak und in Syrien ausgibt, während es ihnen im eigenen Land schlecht geht. Was würden Sie ihnen sagen?
Die Interventionen im Irak und in Syrien waren notwendig für die Sicherheit im eigenen Land und für die Stabilität der Region. Außerdem waren es legitime Interventionen, da wir von beiden Ländern eingeladen wurden. Hätten wir nicht geholfen, wären beide Regierungen in Schwierigkeiten gekommen. Und die Terroristen waren damals nicht weit weg von unserer Grenze. Das hätte auch für uns große Schwierigkeiten bedeutet.
Wenn sich der Konflikt mit den USA verstärkt – könnte der Irak, wo Iran und USA involviert sind, zu einem Austragungsort dieses Konfliktes werden?
Die Politik des Iran war ja nicht eine kriegslüsterne. Das können wir beispielsweise in Afghanistan sehen. Sollte jedoch etwas gegen uns unternommen werden, werden wir angemessen antworten. Wir wollen die Sicherheit des Irak keineswegs gefährden. Ich glaube auch, dass die irakische Regierung es nicht zulassen wird, dass US-Truppen etwas gegen iranische Truppen unternehmen.
Laut mehreren Berichten wurde der Irak von den USA angewiesen, innerhalb von 45 Tagen einen Plan vorzulegen, wie man ohne iranischen Strom zurechtkommen kann. Was wäre die iranische Antwort darauf, wenn der Irak diese Pläne vorlegen würde?
Sollte der Irak in der Lage sein, eigenen Strom produzieren zu können, hätten wir damit kein Problem. Solange Bagdad unsere Hilfe benötigt, werden wir unsere Hilfe anbieten. Wir sind bereit, Powerplants im Irak weiterhin zu errichten. 90 Prozent der irakischen Powerplants sind im Iran gebaut worden.
Was erwarten Sie in dieser komplizierten Situation von den europäischen Staaten?
Unsere Erwartung ist, dass sie die Punkte im Atomabkommen aufrechterhalten werden. Die Ansicht der EU ist bis heute sehr stabil geblieben. Aber es sollten so schnell wie möglich Lösungen realisiert und pragmatisch angesetzt werden. Natürlich werden Russland und China die Zurückhaltung der EU ausnützen und versuchen, ihre Beziehungen zu intensivieren und zu erweitern. Der iranische Markt ist sehr groß und die EU könnte davon stark profitieren.
Wie beurteilen Sie die Arbeit der UNO in diesem Fall?
Die UNO soll ihr eigenes Produkt unterstützen. Und die Resolution 2132 ist eben ein UN-Produkt. Alle Länder sollen diese Punkte respektieren. Die USA sind derzeit ein Problememacher, die sich nicht an diese Punkte halten. Aber der jetzige UN-Generalsekretär hat bereits mehrmals seine Unterstützung des Atomdeals angekündigt.
Zur Situation in Syrien: Wie kann eine Lösung dieses Konflikts aussehen? Das Land scheint in vier Einflusszonen aufgeteilt zu werden. Sehen Sie diese Möglichkeit auch?
Die Astana-Vereinbarung hat bereits gute Resultate gezeigt und eine mittelmäßige Stabilität in einigen Teilen dieses Landes zu gewährleisten. Trotzdem stehen weitere komplexe Fragen im Raum. Zum Beispiel die Situation in Idlib und den kurdischen Bereichen. Was die Situation schwieriger macht, ist die Existenz mancher Weltmächte in Syrien, beispielsweise der USA. Die sind illegal in Syrien und versuchen, bei jeder Gelegenheit zu intervenieren.
War es gut, die Offensive auf Idlib nicht durchzuführen?
Die Türkei war damit nicht einverstanden, da sie vor großen Schwierigkeiten gestanden wäre. Nach einer Offensive wären viele Menschen in die Türkei geflohen. Nach Absprache mit Russland versuchten sie, eine zivile Lösung zu finden. Damit waren wir einverstanden. Wenn es zu einer Lösung kommt, die weiteres Blutvergießen verhindert, ist es umso besser.
Präsident Rohani hat bereits des Öfteren damit gedroht, die Straße von Hormuz zu schließen. Gibt es eine rote Linie, deren Überschreitung zur Schließung führen würde?
Der Hintergrund war klar und leicht verständlich: Sollte es dem Iran nicht möglich sein, sein Öl weiter zu liefern, werden auch keine anderen Länder diese Möglichkeit bekommen. Die Drohung war ein hypothetischer Ansatz, der niemals zustande kommen wird. Nachdem Trump verstanden hat, dass er seine Drohung nicht wahrmachen kann, hat er für acht Länder (Handelspartner des Iran, Anm.) Ausnahmen bei den Sanktionen gemacht.
Hätten Sie gerne, dass die USA zum ursprünglichen Deal zurückkehren, oder sollte dieser neu verhandelt werden?
Es gibt keine Möglichkeit für Weiterverhandlungen. Daher würden wir uns über eine Rückkehr der USA zum ursprünglichen Deal freuen. Sollte das zustande kommen, können wir uns weitere Verhandlungsmöglichkeiten ansehen. In der jetzigen Situation haben wir allerdings kein Vertrauen.
Zuletzt hat es erneut mehrere Vorwürfe gegen den Iran gegeben, wonach er Attentate auf Oppositionelle im Ausland plane. Zuletzt waren das Dänemark und Paris, wo auch ein in Wien akkreditierter Diplomat verhaftet wurde. Wie kommentieren Sie diese Vorwürfe?
Es ist nie ein Attentat zustande gekommen. Es gibt Vorwürfe gegen den Iran, aber das ist eine Verschwörung gegen ihn gewesen. Wir haben ernstzunehmende Feinde. Die MKO-Gruppe in Paris ist eine Terrorgruppe, die enge Kontakte zu Israel und den USA. Sie würden alles tun, um den Iran unter Druck zu setzen. Die zwei Menschen, die im Bus verhaftet worden sind (in Paris, Anm.), sind Mitglieder der MKO. Die Festnahme des iranischen Diplomaten ist zur Zeit des Staatsbesuchs von Präsident Rohani geschehen. Es verstößt gegen alles, dass ein Land zu der Zeit ein Attentat durchführen möchte, wenn gerade der Staatschef zu Besuch kommt. Und im Fall Dänemarks wissen die dortigen Geheimdienste mittlerweile selbst, dass das eine Verschwörung war. Die Israelis haben den Behörden den Hinweis gegeben, dass ein Iraner auf einer Veranstaltung Fotos geschossen hat. Wir hoffen also, dass die Wahrheit ans Licht kommen wird und die europäisch-iranischen Beziehungen aufrechterhalten bleiben.
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