Ewiges Warten auf dem Westbalkan

Serbien ist einer der sechs Balkanstaaten, die vor der Tür Europas stehen. In der Kosovo-Frage bewegt sich wenig

In Sofia, höhnten serbische Parteigranden aller Couleur schon im Vorfeld des Westbalkan-Gipfels, werde es Europa noch schwerer als sonst fallen, außenpolitisch mit einer Stimme zu sprechen. Der Grund: Kosovo.

Immerhin fünf EU-Mitglieder erkennen die Unabhängigkeit von Belgrads einstiger Albaner-Provinz nicht an. Das könnte aus ihrer Sicht Sezessionsbestrebungen dortiger Minderheiten befördern. An dem heiklen Thema, so fürchten kritische Beobachter auf dem gesamten Westbalkan, könnte in Sofia, wo der Kosovo mit am Tisch sitzt, sogar eine gemeinsame Abschlussdeklaration scheitern.

Zwar vermittelte Europa vor fünf Jahren ein Abkommen, mit dem sich Serbien und der Kosovo zur Normalisierung ihrer Beziehungen verpflichten. Doch die Fortschritte liegen im Nano-Bereich.

Ablenkungsmanöver

In letzter Zeit hat sich der alte Konflikt sogar wieder verschärft. Bereits erzielte Abreden werden erneut in Frage gestellt. Und erst letzte Woche verweigerte Serbien Sportlern aus dem Kosovo die Einreise zur Teilnahme an der Karate-Europameisterschaft in Novi Sad.

Es war eine Art Retourkutsche. Seit Monaten blockiert das Kosovo die Konstituierung der Union serbischer Gemeinden. Sie soll die Autonomierechte der überwiegend serbischen Bevölkerung im Norden des Kosovo stärken. Die Implementierung ist Teil der von Brüssel angestrebten Paketlösung.

Beide Seiten, so glauben Beobachter wie Nikola Burazer, Programmdirektor beim Belgrader Zentrum für moderne Politik, würden den Konflikt instrumentalisieren, um von innenpolitischen Problemen abzulenken: Korruption, Vetternwirtschaft, Armut, Arbeitslosigkeit.

Kompromisse, wie sie beiden Seiten abverlangt werden, könnten die Politiker in Belgrad wie in Pristina ihren Wählern, die sie seit dem Kosovokrieg 1999 auf Konfrontation eingeschworen haben, bei Strafe des eigenen Untergangs nicht vermitteln. Serbien müsste dazu sogar seine Verfassung ändern.

Ewiges Warten auf dem Westbalkan

Präsident Vucić (r., mit Erweiterungskommissar Hahn und EU-Chef Juncker) sucht die Nähe zu Russland und der Türkei

Integrationsbremse

Der Konflikt, so Burazer, bremse die Integration des gesamten Westbalkans in europäische Strukturen. In der Tat: Mit Serbien stehen und fallen Europas Pläne, den Einfluss Chinas, der Türkei und vor allem Russlands in der Region zurückzudrängen. Die Acht-Millionen-Republik ist das volksreichste der Spaltprodukte Jugoslawiens und die nach wie vor größte Wirtschaftsmacht auf dem Balkan.

Belgrad hat zudem noch immer entscheidenden Einfluss auf die serbischen Minderheiten in Mazedonien, Montenegro und vor allem in Bosnien/Herzegowina. Alle drei sind EU-Beitrittskandidaten. In Serbien, ebenfalls Beitrittskandidat, ist man sich dieser Schlüsselrolle durchaus bewusst. Und setzt, statt auf Harmonisierung der Außenpolitik mit der Europas auf eine Weltordnung mit mehreren Schwerkraftzentren.

Zwar verhandelt die Regierung mit Brüssel bereits über konkrete Kapitel für den Betritt. Sowohl Belgrad, als auch Brüssel peilen 2025 als Timeline an. Präsident Aleksandar Vucić sucht gleichzeitig die Nähe zu Russland und der Türkei.

Er hat nur begrenztes Vertrauen in Europas Kompetenz als ehrlicher Makler im Konflikt mit dem Kosovo und sieht sich durch die eher pro-slowenische Haltung der EU im Grenzstreit mit Kroatien nur bestätigt.

„Aus der Seele reißen“

Wegen des Kosovo will Umfragen zufolge nur noch jeder fünfte Serbe Europäer werden. „Niemand wird uns den Kosovo aus der Seele reißen“, dichtete die Bardin Gordana Lazarević schon 1989. Der Song versetzt die Nation noch immer in kollektiven Vollrausch. Ein 2018 auf Youtube hochgeladenes Video hat bereits mehr als 44.500 Aufrufe.

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