EVP kürt Spitzenkandidaten in Helsinki
Europas konservative und christdemokratische Elite befindet sich von Mittwoch bis Donnerstag in der finnischen Hauptstadt. Von einem Routinetreffen der Europäischen Volkspartei (EVP) kann dabei aber keine Rede sein, in Helsinki werden politische Weichen gestellt: Donnerstagvormittag wird der Spitzenkandidat der EVP für die Europa-Wahl 2019 gekürt.
Zwei Polit-Profis gehen für diesen Top-Job ins Rennen: Der CSU-Politiker Manfred Weber, Fraktionschef der EVP im EU-Parlament, und der ehemalige finnische Ministerpräsident Alexander . Mit dem Spitzenkandidaten ist auch der Anspruch verbunden, EU-Kommissionspräsident werden zu wollen. Vorausgesetzt die Parteienfamilie gewinnt die EU-Wahl. Prognosen gehen davon aus, dass die EVP weiterhin die Nummer 1 im Europäischen Parlament bleibt.
Niederbayer auf Harmonie bedacht
Der aus Niederbayern stammende Weber gilt als Favorit, EVP-Spitzenkandidat zu werden. Diskret hat der 46-Jährige in den vergangenen Monaten bei Regierungschefs, Parteivorsitzenden und Abgeordneten für sich geworben. Er wird prominent von Angela Merkel und Sebastian Kurz unterstützt, aber auch Ungarns Viktor Orbán steht hinter ihm, was manchen großes Unbehagen bereitet.
In der CSU, die bei ihren Wählern auch mit EU-Skepsis punktet, gehört Weber dem liberalen, pro-europäischen Flügel an. Der stets auf Ausgleich und Harmonie bedachte CSU-Vize, zieht Sachlichkeit und ruhiges Argumentieren vor, mitunter bleibt er aber auch unverbindlich.
Zuletzt ist Weber mit der Aussage aufgefallen, als Kommissionspräsident die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beenden zu wollen. „Wir müssen klar machen, dass eine Vollmitgliedschaft der Türkei nicht funktionieren kann“, sagte er in einem Interview mit der Bild am Sonntag überraschend deutlich.
Marathonmann "Alex"
Sein Herausforderer Alexander Stubb, den Parteifreunde einfach nur „Alex“ nennen, agiert völlig anders als Weber. Unermüdlich jettet der 50-Jährige Marathonläufer und Hobby-Triathlet von einer EU-Hauptstadt in die andere, immer europäische Werte verkündend und hoffnungsvoll von einer „neuen europäischen Generation“ sprechend, die er gerne als Kommissionspräsident anführen möchte.
Auch ihm fehlt es nicht an Unterstützern: Die Twitter-Community ist auf seiner Seite, stolz weist er darauf hin, dass der ehemalige finnische Präsident Marti Ahtisaari sich für ausgesprochen habe oder der ehemalige polnische Außenminister Radoslaw Sikorski.
Stubb kann – im Gegensatz zu Weber – auf eine Regierungskarriere verweisen. Er war gut ein Jahr finnischer Ministerpräsident, davor Europa-, Handels-, Außen- und Finanzminister. Derzeit ist er Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg.
Als Extremsportler hat Stubb einen langen Atem, aber auch im politischen Leben verfolgt er hartnäckig und konsequent seine Forderungen und Ziele. Der mehrsprachige Finne, der seinen akademischen Feinschliff in den USA, London und im Europa-Kolleg Brügge bekommen hat, verortet sich „links der Mitte“. Lieber heute als morgen würde er die Partei von Orbán aus der EVP ausschließen. „Die illiberale Demokratie, die Orbán vertritt, ist ein Widerspruch in sich und widerspricht dem, wofür die EVP steht“, schreibt Stubb in einem Programm mit dem Titel „Die nächste Generation Europas“.
Und weil der Finne seit Wochen die ungarisch Fidesz und ihren Vorsitzenden Orbán – im Gegensatz zu Weber – hart kritisiert, zeigt das in der EVP Wirkung. In Helsinki wird ein Grundsatzpapier verabschieden, das ziemlich deutlich in Richtung Orbán geht. „Wir sind ernsthaft besorgt über die wachsenden Beschränkungen der Verfassungssysteme, der Unabhängigkeit der Justiz, des Kampfes gegen die Korruption, der Medienfreiheit und der Zivilgesellschaft (NGOs) in manchen Mitgliedstaaten. Die Christdemokraten haben für die Demokratie gekämpft.“ ... „Heute werden diese Grundwerte und Prinzipien in einer nie dagewesenen Form in Frage gestellt.“
Auch wenn der ungarische Regierungschef nicht explizit beim Namen genannt wird – der EVP-Kongress in Helsinki wird von einer Debatte über autoritär agierende und EU-Prinzipien verletzende Politiker geprägt sein.
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