EURO könnte Arbeitsmarkt-Reform retten
Grob betrachtet erduldet Frankreichs SP-Staatsführung um Präsident François Hollande und Premier Manuel Valls eine besondere Schmach: Die EURO beginnt heute, Freitag, mit dem Eröffnungsmatch zwischen Frankreich und Rumänien, ohne dass die Streiks und sonstigen Blockaden beendet werden konnten. Im Gegenteil: In Folge der Ausstände der kommunalen Müllarbeiter und der Lahmlegung der wichtigsten Müllverarbeitungszentren durch Gewerkschaftsaktivisten, stauen sich Abfallhaufen auf den Pariser Gehsteigen. Wegen der Düfte bleiben auch elegante Café-Terrassen leer.
Auf den S-Bahnlinien, darunter, auch jener zum "Stade de France", kämpfen Menschenmassen um jeden Millimeter, weil nur die Hälfte der Züge fahren. Ab Samstag ist ein Streik der Piloten der Air France angesagt. Die Taxifahrer wollen ebenfalls die Gunst der EURO für eine Blockade nutzen. Und nächsten Dienstag (an dem Österreichs Team sein erstes Match bestreitet, in Bordeaux gegen Ungarn) findet in Paris ein neuerlicher Großaufmarsch gegen die Arbeitsmarkt-Reform der SP-Regierung statt. Der dabei tonangebende Gewerkschaftsbund, die CGT, hat eigens Züge gebucht, um die Demonstranten aus allen Landesteilen herbeizukarren, obwohl er gleichzeitig die Bahn lahm zu legen versucht – die Bahndirektion glaubte daher zuerst an einen Witz.
Aber Präsident Hollande wähnt sich gerade wegen des Beginns der EURO auf der Siegerstraße und könnte damit sogar recht behalten. Das bestens informierte Magazin Canard enchainée berichtet, Hollande habe vor Vertrauten erklärt: "Die CGT wird am Dienstag, alle ihre Kräfte in die Waagschale werfen, aber die EURO wird nach und nach alle anderen Themen erdrücken."
Zu wenig Mobilisierung
Tatsächlich beruhte die Strategie der CGT auf der Maximaldrohung, notfalls auch das Fest der EURO-Kicker zum Scheitern zu bringen. Dabei wurden möglichst spektakuläre Aktionen in vitalen Bereichen, wie etwa die Austrocknung der Tankstellen durch Raffinerie-Blockaden, durchgeführt. Aber trotz des weit verbreiteten sozialen Frusts gelang es der CGT zumindest bisher nicht, viel mehr als die aktivsten Kerne der Linken zu mobilisieren. Hollande hat zu diesem Scheitern der CGT beigetragen, indem er in öffentlichen Unternehmen bereits fix vorgesehene Sparmaßnahmen wieder rückgängig machte.
Kommt jetzt die EURO-Meisterschaft trotz negativer Begleiterscheinungen in Gang, haben die Gegner der Arbeitsmarkt-Reform ihr wichtigstes Druckmittel verloren. Und Hollande sowie Valls können sich damit brüsten, eine Reform sozialliberalen Zuschnitts in einem nur schwer beweglichen Land durchgesetzt zu haben.
Kommentare