Waldschutz, oder Bürokratiemonster: Warum Österreich das EU-Entwaldungsgesetz attackiert

POLAND-ROMANIA-ENVIRONMENT-FORETS-MOUNTAINS-CLIMATE
Schützt die EU-Entwaldungsverordnung die Urwälder, oder belastet sie heimische Förster unnötig? Beim Widerstand in Brüssel sind Österreichs Vertreter ganz vorne dabei.

Viehweiden, wo einst Amazonas-Regenwald stand, Palmölplantagen auf Urwaldboden in Indonesien: Es sind solche Zerstörungen von Naturräumen, gegen die die EU mit ihrem Entwaldungsgesetz EUDR antreten wollte. Produkte von Holz bis Soja und Rindfleisch, für die schützenswerte Wälder gerodet wurden, sollten vom europäischen Markt verbannt werden. Doch auf die Barrikaden gegen die Entwaldungsverordnung - zumindest in ihrer derzeitigen Ausführung - gehen allen voran österreichische Politiker. Umweltminister Norbert Totschnig macht sich in Brüssel seit längerem für eine grundsätzliche Änderung der EUDR stark: Im Vorjahr wurde das Gesetz durch seine Initiative um ein Jahr aufgeschoben, jetzt aber drängt der Österreicher auf einen grundlegenden Umbau des Gesetzes. Der Abbau von Bürokratie, den sich die EU-Kommission für die aktuelle Amtszeit vorgenommen habe, müsse auch für die Entwaldungsverordnung gelten.

Neben Totschnigs Initiative unter den EU-Mitgliedsländern, macht sich auch im EU-Parlament ein Österreicher für Änderungen bei der EUDR stark. Vor wenigen Tagen hat der ÖVP-Abgeordnete Alexander Bernhuber einen Etappensieg mit seiner politischen Initiative geholt. Sein Einspruch bekam eine klare Mehrheit im Plenum, jetzt ist die EU-Kommission am Zug - und dort, so meinen Beobachter in Brüssel, sei man ohnehin gewillt, die Entwaldungsverordnung umzubauen.

Bernhubers Vorstoß richtet sich vor allem gegen ein Detail, mit dem die Umsetzung der EUDR geregelt wird: Die sogenannte "Länder-Klassifizierung". Sie teilt die Staaten der Welt nach Risikoklassen ein, wo also hohes Risiko für Entwaldung und wo niedriges Risiko herrscht. Nach monatelangem Lobbying hat die EU-Kommission einen ziemlich lauwarmen Kompromiss beschlossen. Zwar bekommen Länder wie Österreich niedriges Risiko zugesprochen, fast alle anderen Staaten der Welt, also auch für Brasilien, Indonesien wurden in die Kategorie mittleres Risiko gesteckt. Hohes Risiko gilt gerade einmal für Nordkorea und Russland. Für Bernhuber ist diese Einteilung unsinnig und sie belaste Österreichs Waldbesitzer mit unnötiger Bürokratie: "Bei uns wächst der Wald ständig, wir wirtschaften nachhaltig. Wozu bürde ich da gerade kleinen Forstwirten unnötige Bürokratie auf." Der ÖVPler fordert daher für Länder wie Österreich eine "Null-Risiko"-Kategorie und somit keine neuen Kontrollen nach dem EUDR. Das Gesetz selbst, so betont Bernhuber wolle er keineswegs stoppen, lediglich die oft unnötig bürokratische Umsetzung.

Die Idee, dass man jeden Baum, den man im eigenen Wald umschneide, melden und in ein EU-Register eintragen müsse, sei in Anbetracht des österreichischen Forstgesetzes überflüssig. Für den Grünen EU-Parlamentarier Thomas Waitz dagegen ist das ein Schreckgespenst, mit dem die Konservativen im EU-Parlament hantieren würden, um die Verordnung als ganzes zu verzögern und schließlich zu Fall zu bringen. Von einzelnen Bäumen. erklärt Waitz, selbst Waldbesitzer, sei keine Rede. Das System sei in Wahrheit relativ leicht zu handhaben - und außerdem sei es notwendig. Eine "Null-Risiko"-Bewertung für Österreich werde vor internationalen Behörden wie der WTO nicht standhalten. Die EUDR würde die heimischen Waldbesitzer vor allem "beschützen, gegen die billige Konkurrenz aus Kahlschlägen aus dem Ausland."

Tatsächlich gehört Österreich und seine Holzindustrie zu den größten Importeuren von Holzstämmen weltweit. Bei Skandalen um das Abholzen von Urwäldern in Rumänien, einem EU-Land, richtete sich der Verdacht immer wieder auch gegen österreichische Unternehmen. "

  Wer sich gegen die Kontrollen durch die EUDR wehre, meint Matthias Schickhofer, Waldexperte für die internationale Umweltschutzorganisation FERN, "nimmt in Kauf, dass Holz aus zweifelhaften Quellen auch in Österreich verarbeitet wird." Ist Holz einmal über die Grenzen in den EU-Raum gebracht worden, gäbe es durch die Null-Risiko-Kategorie keinerlei Kontrollen mehr. Mehrere Umweltschutzorganisationen deckten erst kürzlich auf, dass Holz aus Russland und Weißrussland ungeachtet aller Sanktionen immer noch auf dem EU-Markt zu finden sei. Vertreter der heimischen Holzwirtschaft wollen sich solchen Vorwürfen nicht aussetzen. "In Europa nimmt der Waldbestand zu", meint etwa Christoph Kulterer, Chef des Holzunternehmens Hasslacher: "für uns ist Holz ein Rohstoff und wir gehen damit verantwortungsvoll um. Wir wollen ja nicht, dass der Wald verschwindet." Man könne die Verantwortung für Abholzungen im Ausland nicht den heimischen Firmen aufbürden." Jene Importeure, die das Holz auf den EU-Markt brächten seien für die Kontrollen verantwortlich: "Die EU muss bei Abkommen, etwa mit den Mercosur Staaten in Lateinamerika politischen Druck machen, nicht die Verantwortung auf die Unternehmen abwälzen. Man brauche praxistauglichen und verlässlichen Schutz, meint der ÖVP-Abgeordnete: Große, weltweit agierende Unternehmen, die nicht gerade für ihre Umweltfreundlichkeit bekannt seien, die könnten sich die Papierarbeit durch die EUDR locker leisten, die kleinen heimischen Betriebe würden noch mehr ins Hintertreffen gelangen. Der Grüne Waitz dagegen will genau das nicht glauben: "Durch die EUDR kann sich das heimische, nachhaltig produzierte Holz besser behaupten gegenüber Importen aus Kahlschlägen in Russland." Die Fronten im EUDR-Streit sind also verhärtet, im Herbst geht der in Brüssel in die nächste Runde - und Österreich ist weiter ganz vorne mit dabei.

 

 

Kommentare