Karas bei Merkel: "Europa ist stark"

Othmar Karas, ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament
Österreichs ranghöchster EU-Parlamentarier bespricht in Berlin mit der Kanzlerin die Schuldenkrise der Euro-Südstaaten und die Bemühungen um mehr Energie-Unabhängigkeit.

Am Freitag war Othmar Karas, ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, wieder bei Bundeskanzlerin Merkel in Berlin. Es war ihr drittes Treffen innerhalb eines Jahres in der deutschen Hauptstadt.

Dass die nicht nur in der aktuellen Ukraine-Krise meistbeschäftigte Regierungschefin Europas mit einem der 14 Vizepräsidenten des EU-Parlaments fast eine Stunde konferiert, ist nicht so selbstverständlich: Die CDU-Chefin hätte auch genug eigene Parteifreunde als Ansprechpartner im größten EU-Gremium.

Doch der Österreicher hat sich offenbar in Berlin einen Ruf erworben, der ihn auch immer wieder zu Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) führt. Zuletzt als Berichterstatter des EU-Parlaments für die inzwischen auf den Weg gebrachte EU-Bankenunion, vor allem aber mit seiner Arbeit für und über die Einsätze der "Troika".

Diese drei Vertreter von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds IWF kontrollieren die Einhaltung der versprochenen Reformen jener Länder, die in der Krise von den Euro-Ländern und dem IWF mit Geld und Garantien vor dem Staatsbankrott gerettet wurden.

Für ihre gewissenhaften Bewertungen wurde die Troika in diesen Euro-Staatsschulden-Ländern oft heftig kritisiert und sogar als verlängerter Arm der "Diktatorin Merkel" denunziert. Auch im EU-Parlament hatte es, vor allem von Sozialdemokraten, einschlägige Kritik gegeben.

Der Bericht von Karas konnte diese weitgehend ausräumen, er wurde letzte Woche mit großer Mehrheit gebilligt und hat so wohl auch das Image Merkels wieder etwas verbessert.

Verantwortung

Der Bericht über die Arbeit der Troika stand am Beginn der Unterredung von Merkel mit Karas. Die Kanzlerin geht nach solchen Gesprächen, anders als bei Besuchen ausländischer Staats- und Regierungschefs, nie vor die Presse. Sie gibt aber manchmal ihrem Gesprächspartner ihr Einverständnis, etwas davon zu erzählen. Karas macht davon gegenüber dem KURIER Gebrauch.

Wörtlich mit dem Gemeinplatz: "Europa ist stark, wenn wir gemeinsam handeln und zugleich unserer nationalen Verantwortung gerecht werden."

Konkret habe Merkel ihr Interesse an mehr "Unabhängigkeit Europas, vor allem bei der Energie" bekundet. Er habe ihr daraufhin eine "Energie-Initiative des Europäischen Parlaments" vorgeschlagen. Auch dem gehe es um mehr Unabhängigkeit Europas, auch gegenüber den USA bei Datensicherheit.

Karas, durch die Troika sensibilisiert, besprach auch die aktuellste Meldung vom Freitag: Die vom französischen Präsidenten Francois Hollande neu eingesetzte Regierung will sich ausdrücklich nicht mehr um die Maastricht-Spar-Bedingungen bemühen. Der neue italienische Premierminister Matteo Renzi hatte schon vorher angekündigt, die Defizit-Grenze von drei Prozent des Nationalprodukts auch langfristig nicht einhalten zu wollen, um Reformdruck vom Land zu nehmen. Damit stellen sich das zweit- und drittgrößte Land der Eurozone offenbar gegen Merkels Reformkurs .

In dieser Frage beruhigte Merkel Karas entschieden: Sie "vertraue voll darauf, dass die Franzosen die Vereinbarungen erfüllen" würden und mache sich bei ihnen keine Sorgen.

Karas will trotzdem, dass die christlich-sozialen Parteien Europas auf diese Versuche, die Reformen in überwiegend sozialdemokratisch regierten Ländern weiter zu verschleppen, reagieren. Er erinnert daran, dass einst Frankreich und Deutschland als erste den Stabilitäts- und Wachstumspakt aufgekündigt hatten: "Es war eine Teilursache für die Finanz- und Staatsschuldenkrise." Alle Programme bräuchten "einen Sanktionsmechanismus, weil sonst die europäische Solidarität gefährdet ist. Es widerspricht allen Vereinbarungen für eine Fiskalunion." Die Christdemokraten kämpften dafür, dass "die gemeinsamen Ziele umgesetzt werden."

Karas räumt im KURIER-Gespräch ein, dass auch deswegen das Image Europas schlecht sei. Die Hauptursachen sieht er darin, dass "zu viele Medien und Politiker lieber Schuld zuweisen als zu ihrer Mitverantwortung zu stehen, die wir als Teil der EU haben." Er erwarte "von unserer Regierung eine Informationspolitik, die der Mitverantwortung entspricht statt Schuld zuweist". Karas schlägt "der Regierung vor, Österreich zum Initiator einer breiten EU- Debatte zu machen" und zu einem "Wiener Konvent" einzuladen.

Europa-Bewusstsein

Der Nachfrage, ob er sich im EU-Parlament von der Bundesregierung zu wenig unterstützt fühle, weicht Karas aus: "Alle in Europa Tätigen fühlen sich zu wenig unterstützt. EU-Politik muss der Bevölkerung durch die Sozialpartner, Medien usw. nähergebracht werden, nur Information schafft Bewusstsein und Schuldzuweisung erhöht die Entfernung."

Ob Karas mit Merkel auch seine heimliche Ambition auf den EU-Parlamentsvorsitz besprochen hat, wie sie seine Umgebung andeutet, lässt er offen: Dafür ist es angesichts der für die ÖVP innenpolitisch bedingten schlechten Umfragen wohl zu früh. Auch wenn Karas persönlich als Spitzenkandidat die Nase derzeit deutlich vorne hat.

Jahrgang 1957, war schon als Schüler Funktionär für die ÖVP und machte in ihr eine lange Karriere. Er saß 17 Jahre im Nationalrat, zugleich war er in einer Management-Position bei der Bundesländer-Versicherung (heute "UNIQA"). Seit 1999 sitzt er im EU-Parlament, wo er 2012 einer seiner 14 Vizepräsidenten wurde und damit der bisher ranghöchste Österreicher in dem Gremium. Beim letzten EU-Wahlkampf 2009 konnte Karas mit einer Vorzugsstimmen- Kampagne einen großen persönlichen Erfolg erringen, nach dem Abgang des von der ÖVP eingesetzten Ernst Strasser wegen Bestechlichkeitsvorwürfen wurde er ÖVP-Delegationsleiter.

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