Grüne mit, FPÖ ohne konkretes Programm

Grünen-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek und Grünen-Chefin Eva Glawischnig bei der Plakatpräsentation der Grünen zur EU-Wahl.
Die Opposition rüstet sich für die Wahl am 25. Mai: Die FP braucht dafür kein eigenes Programm, die Grünen haben einen 12-Punkte-Plan.

Nur mehr fünf Wochen, dann wird das EU-Parlament neu gewählt. Die österreichischen Parteien bringen sich dafür in Stellung – in unterschiedlicher Art und Weise, versteht sich: Während die Grünen ihre Ideen in einen 12-Punkte-Plan packen, verlässt sich die FP auf ihr Parteiprogramm.

"Dein Europa kann mehr!" nennt sich das Wahlprogramm für die Europawahl 2014, in dem die Grünen auf 34 Seiten zwölf Projekte vorstellen - mit denen wollen sie "den Kern der europäischen Idee von Frieden durch Demokratie, geteiltem Wohlstand und Zusammenarbeit zurück gewinnen“.

Thematisch finden sich darin bekannte Bereiche wie die Energiewende (verglichen mit 1990 sollen die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um 30 Prozent, bis 2030 um 55 Prozent sinken, eine Klimaschutzabgabe wird gefordert), die Zügelung der Finanzmärkte (mit einer gemeinsamen Finanzmarktkontrolle und die Vergemeinschaftung der Anleihenpolitik mittels Euro-Bonds) oder eine gemeinsame und solidarische EU-Asylpolitik (Details siehe unten).

Motto: "Zu viel EU ist dumm"

Die FPÖ hat zwar für den EU-Wahlgang kein extra erstelltes EU-Wahlprogramm, ein solches brauche es aber auch gar nicht, so das Argument der Freiheitlichen. Denn die Positionen seien ohnehin im Parteiprogramm verankert - bzw. wurden diese mittels Leitantrag beim letzten Parteitag dargelegt. Für die Wahl gibt es einen Folder, der die wichtigsten Punkte zusammenfasst - Generalmotto: "Zu viel EU ist dumm".

Der Leitantrag wurde beim FPÖ-Bundesparteitag in Graz am 7. Dezember 2013 verabschiedet - Titel: "Für ein freies Europa. Zuerst Österreicher, dann Europäer!" Der Antrag stellt sich gegen eine Zentralisierung und tritt für eine Stärkung der Nationalstaaten ein. Als "Ultima Ratio" ist demnach auch ein Austritt aus der EU kein Tabu für die FPÖ, sollte der Kurs der Union nicht abgeändert werden.

Folder statt Programm

Auch im aktuellen Folder zur EU-Wahl stellt sich die Partei von Heinz-Christian Strache gegen den "EU-Zentralismus". Dieser wie auch der "Regulierungswahn" seien "dumm", heißt es dort. Die FPÖ stehe für eine Renationalisierung von Kompetenzen, die Gesetzgebung sollte verstärkt auf die nationalen Parlamente verlagert werden. Außerdem tritt die FPÖ für die Halbierung der österreichischen EU-Beiträge, eine "aktive Neutralitätspolitik" sowie für eine Neuordnung des EU-Fördersystems ein.

Ein Alleinstellungsmerkmal ist wohl die Position, dass künftig das Parlamentsgebäude in Straßburg der einzige Standort des EU-Abgeordnetenhauses sein soll. Auch gegen "ausufernde Globalisierung", "Lohndumping", "Sozialtourismus" und gegen das "Diktat der internationalen Finanzmärkte" richtet sich die FP-Broschüre. Heimische Arbeitskräfte müssten Vorrang haben, die Partei will daher das EU-Freizügigkeitsprinzip einschränken, auch die bedingungslose Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU für EU-Bürger soll beschränkt werden. Sozialleistungen soll es nur nach dem "Herkunftslandprinzip" geben. Ein klares Nein gibt es seitens der FPÖ zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und der USA (TTIP).

Volksabstimmung über ESM

Zum Thema Euro heißt es in dem Folder, das "Euro-System samt Finanzierung der Pleite-Staaten ist dumm". Daher verlangt die FPÖ eine "zwingende Volksabstimmung" über den Verbleib Österreichs im ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus). Bei Nicht-Stabilisierung des Euros tritt die Partei für eine "rasche Restrukturierung" der Eurozone ein - "durch Austritt der schwachen Volkswirtschaften" und "Reduzierung auf ähnlich starke Volkswirtschaften". Außerdem will die FPÖ u.a. die Trennung von Investment- und Investitionsbanken und die Schaffung der Möglichkeit von Bankenkonkursen.

Auch das Thema Asyl fehlt nicht, und wird mit dem Thema Kriminalität verknüpft: "Schrankenlose Kriminalität & Asylmissbrauch sind dumm". Die Forderungen in diesem Bereich: Eine Abstimmung über Österreichs Verbleib im Schengen-Raum, Schaffung von Asylwerberzentren außerhalb der EU, mehr Mittel für die Polizei und verstärkte Videoüberwachung an Grenzübergängen. Thematisch nahe auch die FP-Forderung nach einem "Stopp der Islamisierung Europas", ein kategorisches Nein zu einem EU-Beitritt der Türkei sowie einem "generellen Einwanderungsstopp".

Und schließlich darf auch die bekannte Forderung nach einem "Europa der Vaterländer" nicht fehlen - "anstatt einer Entmündigung der Bürger durch demokratisch nicht legitimierte EU-Institutionen".

"Österreich rechnet ab"

Die FPÖ startet am Wochenende ihre zweite Plakatwelle zur EU-Wahl. "Österreich rechnet ab - mit Rot-Schwarz & EU" ist auf den großflächigen Sujets zu lesen. Die Freiheitlichen verzichten auch diesmal nicht auf ihren Obmann Heinz-Christian Strache: Er präsentiert sich auf dem Plakat in bekanntem Design neben dem Spitzenkandidaten Harald Vilimsky. 2.800 Stück werden in Österreich davon plakatiert.

ENERGIEWENDE Angesichts der Bedrohung durch den Klimawandel verlangen die Grünen ambitionierte Klimaziele. Verglichen mit 1990 sollen die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um 30 Prozent, bis 2030 um 55 Prozent sinken. Der Energieverbrauch soll bis zu diesem Jahr um 40 Prozent zurückgehen, der Anteil der Erneuerbaren auf 45 Prozent steigen. Eine Klimaschutzabgabe soll Geld für Investitionen bringen, der Verkehr von der Straße auf die Schiene verlegt werden. Die Schiefergasgewinnung mittels Fracking wird abgelehnt.

AKW Bis 2030 soll Europa atomkraftfrei werden. Die gefährlichsten Kraftwerke wollen die Grünen sofort abschalten. Der Euratom-Vertrag soll aus ihrer Sicht überwunden werden, das "Geldvernichtungsprojekt" des Kernfusionsversuchsreaktors ITER lehnen sie ab.

BIO Die Grünen wollen ein gentechnikfreies Europa im Bereich der Lebensmittel. Patente auf Tiere und Pflanzen werden abgelehnt. Bienen sollen durch einen vorbeugenden Pflanzenschutz geschont werden. Gentech-Produkte - auch nur bei Fütterung - will die Partei unionsweit klar kennzeichnen. Tiergerechte Nutztierhaltung ist eine weitere Forderung. Exportsubventionen für alle Tiertransporte sollen gestrichen, Lebendtiertransporte quer durch Europa gestoppt werden.

FINANZMÄRKTE Zur Zügelung der Finanzmärkte und Verminderung von Spekulation soll die Finanztransaktionssteuer kommen. Steueroasen sollen trockengelegt werden, Österreich den Weg für eine unionsweite Steuerbetrugsbekämpfung freigeben. Zusätzlich fordern die Grünen eine scharfe gemeinsame Finanzmarktkontrolle und die Vergemeinschaftung der Anleihenpolitik mittels Euro-Bonds. In Sachen Lobbying wollen die Grünen mittels "gesetzlichem Fußabdruck" transparent machen, wer auf eine europäische Regelung Einfluss genommen hat.

FREIHANDEL Die Grünen befürchten bei Abschluss des Freihandels- und Investitionsabkommens mit den USA (TTIP) massive Verschlechterungen für Europas Bürger. Tiergesundheits- und Ernährungsstandards drohten ebenso unter die Räder zu kommen wie jene im Sozial-, Arbeitsrecht-oder Umweltbereich. Außerdem könnten Staaten von Konzernen verklagt werden. Für das Europaparlament und die nationalen Parlamente müsse es daher volle Mitwirkungs- und Informationsrechte in den Verhandlungen geben.

BILDUNG Gefordert wird der Ausbau der europäischen Austauschprogramme, die Umschichtung von Rüstungsgeldern in die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und ein europäisches Freiwilligenjahr für alle.

SOZIALUNION Die Grünen wollen die Sozialunion, es soll gesetzlich verankerte Mindestlöhne in der gesamten Union geben. Auch eine europäische Arbeitslosenversicherung wollen sie schaffen. Die Lohn- und Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen sollen mittels EU-Maßnahmenpaket verringert werden.

DEMOKRATIE Der Europäische Rat soll zu einer "Länderkammer" umgebaut und mit dem Europaparlament gemeinsam zur Legislative werden. In diesem Zweikammersystem erhält das Parlament das Initiativrecht. Den Standort Straßburg wollen die Grünen aufgeben. Statt Einstimmigkeit soll auf qualifizierte Mehrheiten gesetzt werden. Es soll europäische Wahllisten - inklusive Kommissarskandidaten - und europaweite Volksabstimmungen geben. Für die Verwirklichung müssen die Verträge in einem neuen Anlauf geändert werden, dafür braucht es nach Ansicht der Grünen einen europäischen Konvent.

GRUNDRECHTE Die Grünen wollen die Privatsphäre der Menschen europaweit schützen, die Vorratsdatenspeicherung zurücknehmen und Abkommen zur Datenweitergabe an die USA kündigen. Gefordert wird ein freies, offenes und neutrales Internet. Aufdecker staatenübergreifender Missstände müssten internationalen Schutz genießen. Weitere Forderungen beziehen sich auf Frauen-Gleichstellung, Barrierefreiheit und eine EU-weite Strategie gegen Homophobie und Schwulen- und Lesben-Diskriminierung.

FLÜCHTLINGE Gefordert wird eine gemeinsame und solidarische EU-Asylpolitik. Rettung aus Seenot und Schutz des Menschenlebens müsse Vorrang haben. Das Dublin-II-Abkommen wollen die Grünen abschaffen, die Schutzsuchenden sollen fair auf alle Mitgliedstaaten verteilt werden. Auch eine gemeinsame Migrationspolitik soll kommen.

FRIEDEN Die Grünen sehen das europäische Einigungsprojekt als historischen Erfolg der Überwindung von Nationalismus und Krieg. In der Ukraine sollte sich Europa mit dem Vorschlag der Bündnisfreiheit oder Neutralität um eine friedliche Konfliktbeilegung bemühen. Am Balkan soll das Friedensprojekt durch die EU-Integration vollendet werden. In den Außenbeziehungen wollen die Grünen auf "Soft Power" setzen, die Union soll das Gewaltmonopol der UNO anerkennen.

GLOBALE GERECHTIGKEIT Die internationalen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen der EU sollen zu einer gerechten Welthandelsordnung und zur Einhaltung der Menschenrechte beitragen. Die nachhaltige Entwicklungspolitik soll forciert werden.

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