Manipulationsversuch und Gewalt bei Parlamentswahl in Georgien

Georgien ist EU-Beitrittskandidat, Prozess liegt derzeit aber auf Eis
Bereits im Vorfeld der Wahl war die Sorge vor einem Wahlbetrug groß. Es gab auch beunruhigende Vorfälle von Gewalt, so die Präsidentin von Georgien.

Bei der Parlamentswahl in Georgien hat es nach offiziellen Angaben einen Manipulationsversuch gegeben.

In der Kleinstadt Marneuli im Südosten des Landes habe ein Mann in einem Wahllokal mehrere Stimmzettel eingeworfen, die Abstimmung dort sei unterbrochen worden, teilte die zentrale Wahlkommission der Nachrichtenagentur Interpressnews zufolge mit. Die Ergebnisse in dem Wahllokal würden nicht gezählt, hieß es.

Opposition und Regierung gaben sich gegenseitig die Schuld für den Vorfall. Die Leiterin der größten Oppositionspartei Vereinte Nationale Bewegung, Tina Bokutschawa, sprach von einer Provokation, die die Regierungspartei Georgischer Traum organisiert habe, weil in dem Wahlbezirk die Opposition gewonnen hätte. "Wir haben den Provokateur, der Mitglied beim Georgischen Traum ist, schon genau identifiziert, aber die Polizei hat ihn bis jetzt noch nicht festgenommen", sagte sie.

Ein Vertreter des Georgischen Traums hingegen erklärte, der Mann sei von der Opposition gekauft worden, um die Provokation zu begehen. Ziel sei es, die Wahl anschließend als illegitim darzustellen. Die Wahlkommission hat die Identität des Stimmeneinwerfers bisher nicht bekanntgegeben. Das Innenministerium leitete ein Strafverfahren ein, von einer Festnahme ist allerdings bisher nicht die Rede.

Heftige Konfrontationen bei Wahllokalen

Nach Angaben der proeuropäischen Präsidentin Salome Surabischwili ist es auch zu Gewalt gekommen. "Ich möchte auf die zutiefst beunruhigenden Vorfälle von Gewalt in verschiedenen Wahllokalen hinweisen", erklärte Surabischwili am Samstag in Onlinediensten. Zuvor waren in den Internet-Netzwerken Videos verbreitet worden, die an mehreren Orten bei Wahllokalen heftige Konfrontationen zeigten.

Nach Angaben der Zentralen Wahlkommission verliefen die Urnengänge friedlich. Von anderen Beobachtern wurden jedoch mehrere Zwischenfälle gemeldet. Die "Vereinigung junger Anwälte" etwa berichtete von "erheblichen Wahlverstößen". Die Oppositionsparteien teilten zudem Aufnahmen von offenbar verstopften Wahlurnen im südöstlichen Dorf Sadachlo.

"Sie verstopfen Wahlurnen, schikanieren Wähler und schlagen Beobachter", sagte Tina Bokutschawa, eine der Spitzenpolitikerinnen der größten Oppositionspartei UNM, der pro-europäischen Vereinigten Nationalen Bewegung des inhaftierten Ex-Präsidenten Michail Saakaschwili.

"Bidzina Iwanischwilis Schlägertrupps versuchen verzweifelt, sich an die Macht zu klammern und sind zu allem bereit, um den Wahlprozess zu untergraben", sagte die Politikerin mit Blick auf den mächtigen Milliardär Bidsina Iwanischwili, der die pro-russische Regierungspartei Georgischer Traum kontrolliert.

Eine führende Vertreterin der Regierungspartei, Mamuka Mdinaradse, wies die Anschuldigungen als eine von der Opposition inszenierte "Provokation" zurück, während die Wahlkommission die in dem Wahlbezirk des südöstlichen Dorfs Sadachlo abgegebenen Stimmen für ungültig erklärte.

EU und OSZE beobachten Wahl genau

Die Parlamentswahl in Georgien, die entscheiden soll, ob die Südkaukasusrepublik künftig einen prorussischen oder prowestlichen Kurs einschlägt, wird international genau beäugt. Laut Zentraler Wahlkommission nehmen Vertreterinnen und Vertreter von über 60 internationale Organisationen, darunter der OSZE, des Europarates und der NATO sowie des Europäischen Parlaments an Wahlbeobachtungen teil.

"Man merkt, dass viele internationale, aber auch lokale Wahlbeobachter teilnehmen", erklärte auch der EU-Abgeordnete Reinhold Lopatka (ÖVP), der für das Europäische Parlament die Wahl beobachtet, am Samstag im Gespräch mit der APA. "An die 3.000 nationale und internationale Wahlbeobachter sollen im Land sein", so die Bundesratsabgeordnete Elisabeth Kittl (Grüne), die für die Parlamentarische Versammlung der OSZE die Wahl beobachtet. Die Zahl der internationalen Wahlbeobachter übersteigt damit die Zahl der 48 internationalen Wahlbeobachter bei der letzten Wahl 2020.

Die Parlamentswahl in Georgien gilt als richtungsweisend. Die Regierung fährt einen zunehmend nationalistisch-konservativen Kurs und orientiert sich an Russland. Sie schürt Ängste, dass bei einem Wahlsieg der Opposition Krieg ausbricht. Die Opposition hingegen will das Land in die Europäische Union führen. Georgien ist EU-Beitrittskandidat, wegen einer Reihe zuletzt verabschiedeter restriktiver Gesetze liegt der Prozess aber auf Eis.

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