Viel weniger Treibhausgase in viel kürzerer Zeit: Härter und klarer hätte das Urteil der Klimaexperten kaum ausfallen können. Ein Urteil, das man in Brüssel nicht ignorieren kann. Schließlich handelt es sich bei den Verfassern dieses kritischen Berichtes um jenes Gremium, das die EU selbst eingesetzt hat: der EU-Klimarat.
Noch ehrgeizigeres Ziel
Zumindest auf dem Papier zeigt sich die EU-Kommission in dieser Frage zum Handeln entschlossen. Schon in wenigen Tagen will man offiziell ein neues Ziel beim Kampf gegen den Klimawandel verkünden: 90 Prozent weniger Treibhausgase bis 2040. Eigentlich ist das nicht mehr als ein weiterer längst eingeplanter Zwischenstopp auf dem EU-Klimakurs. Denn bis 2050 will man ohnehin klimaneutral sein.
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Es ist EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen höchstpersönlich, die beim Kampf gegen den Klimawandel Gas gibt – und das seit Beginn ihrer ersten Amtszeit 2019. Jetzt aber peilt Von der Leyen ihre zweite Amtszeit an.
In der Europäischen Volkspartei EVP gilt die für ihre Willensstärke bekannte Deutsche als fix gebucht Spitzenkandidatin für die Europawahlen im Juni – und damit auch als neue, alte Chefin der EU-Kommission im Herbst.
Keine Konkurrenten für Von der Leyen
Persönlich in den Weg stellen und Von der Leyen Konkurrenz machen, das will in der EVP niemand so recht. Was die politischen Ziele betrifft, sieht die Sache aber ganz anders aus.
Der "Green Deal", also das Maßnahmenpaket der EU gegen den Klimawandel, das unverkennbar Von der Leyens Handschrift trägt, passt ihren Parteikollegen zunehmend nicht – und zwar vor allem in ihrem Heimatland, Deutschland. Die dortige EVP-Fraktion, angeführt vom Bayern Manfred Weber, zeigt sich, was Klima- und Umweltziele betrifft, seit Längerem eher als Bremser.
Machbarer Klimaschutz
So lief man im EU-Parlament gegen das sogenannte "Renaturierungsgesetz" Sturm, das Europas von Landwirtschaft oder Industrie belastete Landschaften sanieren soll. Gemeinsam mit einigen Parteien vom rechten politischen Rand schrammte man nur knapp einer Mehrheit vorbei. Auch gegen ein Verbot von Pestiziden, oder allzu strenge Klimaauflagen für die Industrie wehrt man sich.
"Machbar und praxistauglich" müsse die EU-Klimapolitik in Zukunft sein, so formulieren das Weber, aber auch österreichische ÖVP-Parteikollegen wie der EU-Abgeordnete Alexander Bernhuber für die Medien.
Abseits der Kameras werden deutsche EVP-Vertreter noch deutlicher. Von der Leyen sei dafür verantwortlich, dass dem "Verbrennungsmotor der Garaus gemacht" werde: im Autoland Deutschland ein besonders harter Vorwurf.
Wahlkampftöne
Weniger hart dürfte es in den kommenden Wochen kaum werden. Der Wahlkampf für die Europawahlen hat längst begonnen, und die EVP will neben dem Dauerbrenner Migration vor allem auf eine Stärkung der europäischen Wirtschaft und Landwirtschaft setzen. Allzu viel grüne Vorschriften würden nur bewirken, dass die Unternehmen Jobs aus Europa abziehen, lautet die Stoßrichtung.
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Wie man das freilich mit dem Prestigeprojekt Green Deal der eigenen Spitzenkandidatin in Einklang bringen will, ist vielen in der EVP offensichtlich noch nicht klar.
Vielleicht lässt man sich deshalb mit der offiziellen Kür Von der Leyens so viel Zeit. Erst im März soll es so weit sein, bis dahin sollten auch die Parolen klar sein, mit denen sie in den Wahlkampf geht. Allzu grün jedenfalls dürften die nicht werden.
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