EU-Wahl: Ein Rechtsruck ist (noch) nicht in Sicht
200 Tage sind es noch bis zu den EU-Wahlen Ende Mai – viel Zeit für große Verschiebungen in der Wählergunst. Nach derzeitigem Stand jedenfalls zeichnet sich ein spannender Urnengang ab: Christlich-Soziale und Sozialdemokraten liegen aktuell europaweit Kopf an Kopf.
Das geht aus Berechnungen hervor, die in Brüsseler Parlamentskreisen kursieren und dem KURIER vorliegen. Als Basis dienen aktuelle Umfragen aus allen 28 EU-Ländern sowie Wahlergebnisse von nationalen und früheren Europa-Wahlen.
Platz eins ist offen
Würde morgen gewählt, könnten die beiden größten Fraktionen mit jeweils rund 220 Sitzen im EU-Parlament rechnen. Das wäre eine grundlegende Neuordnung der Machtverhältnisse: Derzeit haben die Christlich-Sozialen 275 Sitze, die Sozialdemokraten nur 194. Ausschlaggebend für diesen Trend sind die großen EU-Staaten mit vielen Abgeordneten: Aktuell würden die Konservativen allein in Frankreich mehr als zehn (von bisher 30) Sitzen verlieren. Gleichzeitig dürfen die Sozialdemokraten in Polen mit Zugewinnen rechnen – und auch in England, wo sich Labour (derzeit 13 Mandate) laut Prognose mehr als verdoppeln würde.
Ränder gestärkt
Liberale und Grüne dürften zwar verlieren – aber dritt- und viertstärkste Kraft im EU-Parlament bleiben. Die Liberalen kommen laut Trend-Berechnung auf 70 statt derzeit 85 Sitze, die Grünen verlieren rund ein Drittel ihrer momentan 58 Abgeordneten. Hauptverantwortlich dafür: Grünen-Ikone Daniel Cohn-Bendit tritt nicht mehr an, was die französischen Grünen von derzeit 16 auf rund fünf Sitze absacken lässt.
Gestärkt werden die Ränder. Die „Vereinigte Europäische Linke“ dürfte von derzeit 35 auf gut 50 Sitze zulegen; dazu kommt die italienische „Fünf-Sterne“-Protestbewegung von Ex-Komiker Beppe Grillo mit ca. 15 Mandaten.
Bemerkenswert ist, dass – nach momentaner Sachlage – von den vielerorts prognostizierten Zugewinnen der EU-Gegner keine Rede ist.
Zwar gibt es einzelne Länder, wo Rechtsaußen-Parteien zulegen werden: Etwa die französische Front National, die laut Prognose von derzeit drei auf knapp 20 Sitze zulegen dürfte.
Doch in Summe deuten die Zahlen mehr auf ein mäßiges Plus im rechtskonservativen EU-skeptischen Lager hin – mit vielen Verschiebungen zwischen den einzelnen Parteien und den Fraktionen im EU-Parlament.
Kritiker legen zu
So dürfte sowohl die Fraktion der „Konservativen und Reformisten“ (derzeit 56 Sitze, u.a. mit den englischen Tories) als auch die EFD-Fraktion („Europa der Freiheit und der Demokratie“, derzeit 32, u. a. mit der britischen UKIP) leicht verlieren. Die momentan fraktionslosen Rechten dürften zulegen – aber auch nicht mehr als 40 Sitze im neuen Parlament erhalten. In Summe werden dem zersplitterten rechten Lager der EU-Skeptiker und -Gegner rund 115 der insgesamt 751 Sitze prognostiziert.
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