- Was ist das Ziel des Projekts?
Die EU hat nach einem von Brüssel in Auftrag gegebenen Bericht in den vergangenen fünf Jahren 13.000 neue Regulierungen erlassen. Die sollen jetzt zusammengestrichen werden. Vor allem Europas Wirtschaft soll von sogenannten "Berichtspflichten" entlastet werden. Unternehmervertreter beklagen oft 100 Seiten dicke Formulare, in denen sie die Einhaltung ökologischer und sozialer Kriterien ihrer Geschäfte, aber auch die ihrer Zulieferer und Partner dokumentieren müssten. Laut Schätzungen deutscher Wirtschaftsvertreter fallen dabei Kosten von mehr als einer Milliarde Euro an. Österreichische Unternehmer sprechen gegenüber dem KURIER von Abteilungen mit oft mehr als einem Dutzend Mitarbeiter, die nur damit beschäftigt seien.
- Um welche Regelungen geht es?
Zuerst sollen drei Gesetzespakete durchforstet und zusammengekürzt werden: Es handelt sich um die Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD), die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und die Taxonomie-Verordnung zur Definition von Nachhaltigkeit. Bei der CSRD müssen Unternehmen vor allem die Folgen ihrer eigenen Tätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft dokumentieren, bei der CSDDD geht es wiederum vor allem um ihre Lieferanten und die Lieferanten dieser Lieferanten, und zwar weltweit. Auch die müssen ähnliche Kriterien erfüllen, wenn nicht, werden die Unternehmen dafür haftbar gemacht. Die Taxonomie-Verordnung betrifft vor allem Investoren, wie etwa große Banken. Die müssen belegen, dass sie ihr Geld in Geschäfte stecken, die ebenfalls "grüne" Kriterien erfüllen. Oft überschneiden sich diese drei Regulierungspakete, was die Arbeit der Unternehmen noch aufwendiger macht.
- Wann wird das ganze konkret?
Schon Ende Februar soll ein sogenannter "Omnibus" veröffentlicht werden (darin steckt nicht umsonst das lateinische Wort für alles), der diese drei Regulierungen verkürzt, zusammenstreicht und zuletzt in einer einzigen Regulierung zusammenfasst, die die Unternehmen dann zu befolgen haben. Damit sollen die Berichtspflichten um eben diese 25 bis 35 Prozent reduziert werden.
- Wie läuft das politische Tauziehen im Hintergrund?
Ein Großteil der Regulierungen, die jetzt zusammengestrichen werden, stammt aus der ersten Amtszeit Von der Leyens und waren Eckpfeiler des sogenannten "Green Deal", also dem EU-Prestigeprojekt, mit dem Europa die Klimawende schaffen sollte. Den Zielen dieser Klimawende, also vor allem Klimaneutralität bis 2050, sei die EU weiterhin verpflichtet, verspricht man in Brüssel. Doch Grüne und Sozialdemokraten warnen schon jetzt vor einer Abkehr von den Klimazielen, wie auch von einer Gefahr für den Umweltschutz und sozialen Standards durch diese Reformen. Da so große Reformen nicht ohne EU-Parlament und den EU-Rat der Mitgliedsländer durchgezogen werden können, stehen schwierige Debatten bevor.
- Wie sind die Erfolgsaussichten des Projekts?
Mehrere Expertenberichte im Auftrag der EU-Führung belegen die Dringlichkeit eines Abbaus von Regulierungen, um Europas Wirtschaft wieder attraktiv für Investoren und global wettbewerbsfähig zu machen. Führende Vertreter der Kommission versichern, dass dieser Projekt das mit Abstand wichtigste für die kommenden Jahre sei. Allerdings könnten aufgrund der schwierigen politischen Prozesse wieder Jahre vergehen, bis vor allem die grundlegenden Reformen tatsächlich durchgeboxt sind, dazu kommen - wie in der EU üblich - lange Übergangsfristen. Diese Zeit aber, so meinen Vertreter der Industrie und Wirtschaftsforscher, habe Europas schwächelnde Wirtschaft nicht.
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