Warum dem Green Deal der EU jetzt ein Rückschritt statt ein Fortschritt droht

Mit dem Rückenwind der breiten Fridays-Klimabewegung von 2018 und 2019 hatte die vorige EU-Kommission eine grüne, klimaschützende Agenda verfolgt. Wesentlich war dabei eine Stimmenmehrheit im EU-Parlament von EU-Volkspartei, den Sozialdemokraten, den Liberalen und den Grünen.
Nach der EU-Parlamentswahl vom Juni haben sich aber die Mehrheiten verschoben: Inzwischen haben EVP, die Rechtskonservativen mit der polnischen PiS-Partei, die Patrioten-Fraktion mit der FPÖ und Le Pen und der ebenfalls neuen ESN-Fraktion mit der deutschen AfD erstmals eine Mehrheit. Und die ist inzwischen schon zum dritten Mal schlagend geworden, zuletzt vergangene Woche bei der Abmilderung und Verschiebung der Entwaldungsverordnung um ein Jahr.
Revanchismus?
„Dabei gab es auch Abänderungsanträge, diese Verordnung für drei Jahre auszusetzen“, sagt der Grüne EU-Abgeordnete Thomas Waitz, der sich fassungslos insbesondere über die Kooperation der Volkspartei mit den Rechts-außen-Fraktionen zeigt. „Meine Wahrnehmung ist, dass es da einen Revanchismus der EVP gegen die vermeintlich ,linke’ Mehrheit aus Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen gibt. Da gab es scheinbar ein Gefühl, von diesen gedemütigt worden zu sein durch die vielen Kompromisse.“
Von einer Kooperation der EVP mit den Rechtsfraktionen könne man aber nicht sprechen, sagt der FPÖ-EU-Abgeordnete Georg Mayer zum KURIER. „Die EU-Volkspartei sieht ja inzwischen, wie schlecht es etwa der Autoindustrie in Deutschland geht, dort kracht es ja horrend. Die EVP sieht, dass sie da einige Dinge in die falsche Richtung geleitet hat, und rudert jetzt zurück.“
Aus vom Verbrenner-Aus
Mayer denkt, dass einige Regelungen aus der vorigen Legislaturperiode in Brüssel jetzt revidiert werden – etwa der Beschluss, ab 2035 keine Neuwagen mit Verbrennermotor zuzulassen. Schließlich hat auch die ÖVP im EU-Wahlkampf klargemacht, dass sie diesen Beschluss rückgängig machen will. Und da sind sie eines Sinnes mit allen Rechtsfraktionen im EU-Parlament. Eine Rückabwicklung könnte es aber auch bei anderen Beschlüssen des „Green Deal“ geben, etwa bei der Renaturierung, dem Rechtsakt zur sauberen Industrie oder der Chemikalienverordnung.
Keine Kooperation mit dem Rechtsblock, sondern nur Pragmatismus sei das Motto, sagt Reinhold Lopatka, Delegationschef der ÖVP im EU-Parlament. „Wir müssen anerkennen, dass sich die Mehrheiten im EU-Parlament geändert haben. Die Parteien links von der EVP sind geschwächt worden.“
Er geht davon aus, dass etwa das Verbrenner-Verbot 2035 wieder fällt. Das sei aber nicht die einzige Regelung des Green Deal, die „überschießend“ gewesen ist. „Wir brauchen dringend weniger Berichtspflichten für die Wirtschaft, das hat die Kommission schon zugesagt.“ Und nicht zuletzt würde der Druck auf die EU-Industrie durch die neue US-Administration unter Trump größer. „Selbstverständlich wird das auf unsere Arbeit Auswirkungen haben.“
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