EU und China: Fast so was wie neue Freunde

Gipfeltreffen: Europa lotet nach Trumps kalter Dusche die Perspektiven mit Peking aus.

Wenn die Beziehungen schwächeln, kann man sich ja schon einmal nach neuen Freunden umsehen: So in etwa könnte die Botschaft lauten, die Europa angesichts des heute in Brüssel beginnenden China-EU-Gipfels nach Washington senden dürfte. Genau eine Woche ist es her, dass US-Präsident Donald Trump seine verdutzten Gastgeber in der EU und NATO düpierte und den Eindruck verfestigte, die europäisch-amerikanische Verbundenheit habe ihren Höhepunkt hinter sich.

Rückt die EU nun stattdessen näher an China heran? Atmosphärisch sei die Stimmung vor dem Treffen der EU-Spitzen mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang jedenfalls gut, meint China-Experte Jan Gaspers (Mercator-Institut für chinesische Studien) gegenüber dem KURIER: "China befindet sich auf einer Charmeoffensive. Man wird sich als Gegenspieler zu den USA positionieren. Und die Gastgeber, Ratspräsident Tusk sowie Kommissionspräsident Juncker, werden das nutzen."

EU und China: Fast so was wie neue Freunde
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Tatsächlich gibt es Schnittmengen, neue Möglichkeiten der Kooperation tun sich auf. In der Klimapolitik etwa verfolgen die EU und China weitgehend ähnliche Interessen. Während der US-Präsident dem Pariser Abkommen den Rücken kehren will, forcieren Peking und die 28 EU-Staaten den Kampf gegen den Klimawandel – auch aus wirtschaftlichen Motiven heraus. Das Reich der Mitte ist längst weltweit größter Produzent von Solarstrom. Beim Gipfel am Freitag wollen sich beide Seiten demonstrativ zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens bekennen. Geplant sei eine umfassende gemeinsame Erklärung, hieß es am Mittwoch aus EU-Kreisen.

Zu wenig Marktzugang

Auf positive Signale, vielleicht sogar einen Fortschritt, hofft man von europäischer Seite beim Gipfel auch zum geplanten Investitionsschutzabkommen. Noch kritisieren die Europäer: Der Marktzugang in China ist zu stark beschränkt, das geistige Eigentum unzureichend geschützt. Die Investititionsbedingungen sind alles andere als gleichberechtigt,kurzum Chinas Handelsschranken gegenüber der EU liegen nach wie vor zu hoch.

Aus europäischer Perspektive bewegt sich hier noch zu wenig, auch wenn sich Chinas Staatschef Xi Jinping im Jänner in Davos überraschend für den Freihandel in die Bresche geworfen hatte – und sich jetzt, wie Experte Gaspers sagt, "wie als Hüterin der global offenen Märkte geriert".

Eine Milliarde pro Tag

Jeden Tag werden zwischen China und Europa Waren und Dienstleistungen im Wert von einer Milliarde Euro gehandelt. Es könnte noch viel mehr sein – denn noch fließen nur zwei Prozent aller Auslandsinvestitionen der EU nach China (zum Vergleich USA: 30% der EU-Investitionen).

Auch in der Weltpolitik "positioniert sich China als immer präsenterer Player", sagt Experte Jan Gaspers. "Man will als globale Macht wahrgenommen werden. Das sieht man allein schon im UN-Sicherheitsrat, wo China früher meist mit Russland gestimmt hat und sich jetzt zunehmend emanzipiert." Im Syrien-Krieg, aber auch in Afghanistan bringe sich China neuerdings ein – ein Thema, an dem auch die Europäer nicht mehr vorbeischauen können. Im Südchinesischen Meer erhebt das Land ohnehin den Führungsanspruch. Die damit verbundenen Spannungen aber haben sich in jüngster Zeit wieder beruhigt.

Bahnbrechende Fortschritte werden vom zweitägigen Gipfel nicht erwartet. "Die Kernbotschaft des Treffens wird aus Sicht der Europäer sein: Wir werden im Sinne unserer Autonomie unsere Interessen ausloten", glaubt Gaspers, "und dann kann man ja sehen, ob China der richtige Partner ist."

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