EU-Spitze bespricht Migration, Trump und Brexit
Vom heutigen EU-Gipfel in Valletta solle das Signal ausgehen, dass Europa seinen Außengrenzschutz ernst nimmt und nach der Westbalkanroute auch die zentrale Mittelmeerroute dicht macht. Vor dem Hintergrund der in diesem Jahr bevorstehenden Wahlen in den Niederlanden, Frankreich, Deutschland und vielleicht auch in Italien und Österreich, sowie dem befürchteten Aufstieg der Rechtspopulisten, sollte der Gipfel vor allem der Bevölkerung klar machen, dass die EU die Migrationskrise in den Griff bekommt. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker haben vor Beginn des Gipfels an die Einheit der Europäer appelliert. "Europa hat sein Schicksal selbst in der Hand", sagte Merke am Freitag.
Unterschiedliche Handhabung von Trump
Je deutlicher man sich über seine Rolle in der Welt klar sei, desto besser könne man die transatlantischen Beziehungen pflegen, meinte Merkel vor dem Gipfel. "Deshalb steht für mich hier das Sprechen über Europa im Vordergrund und nicht das Sprechen über andere Teile der Welt", sagte sie auf eine Frage nach Trump. Andere Töne hatte zuvor österreichs Bundeskanzler Christian Kern angeschlagen. Dieser hatte Trump scharf kritisiert.
Frankreichs Präsident François Hollande warnte, Europa solle sich bei der militärischen Verteidigung nicht allein auf die von den USA dominierte NATO verlassen. "Wer weiß, was der amerikanische Präsident wirklich in Hinsicht auf die transatlantische Allianz und die Lastenteilung will", sagte Hollande. EU-Staaten wie Polen und Ungarn warnte Hollande davor, eine enge Bindung an die USA der europäischen Zusammenarbeit vorzuziehen. "Staaten sollten daran denken, dass ihre Zukunft zuallererst in der Europäischen Union liegt, als zu denken, dass sie in den bilateralen Beziehungen mit den USA liegt", sagte er. "Es gibt keine Zukunft mit Trump, wenn man sie nicht gemeinsam definiert."
Juncker mahnte Geschlossenheit an. Er habe den Eindruck, dass die US-Regierung Europa nicht verstehe. Die EU müsse sich selbst auf die wesentlichen Punkte der weiteren Entwicklung verständigen. "Es gibt einige, die ausbüxen wollen", sagte er, Namen nannte er nicht.
Großes Thema: Migration aus Afrika
Die 28 EU-Regierungen wollen am Freitag neue Maßnahmen gegen die illegale Migration aus Afrika beschließen. Zunächst geht es darum, wie der Flüchtlingszuzug über die zentrale Mittelmeerroute begrenzt werden kann. Merkel setzt dabei auf eine Stärkung der libyschen Einheitsregierung, die unter anderem beim Küstenschutz unterstützt werden soll. "Die Situation der Flüchtlinge ist dramatisch in Libyen", sagte sie. Deshalb müssten, ebenso wie im Abkommen mit der Türkei, die Lebensbedingungen der Migranten im Transitland verbessert und der Menschenschmuggel eingedämmt werden. Dies werde in Libyen in Zusammenarbeit mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR geschehen.
Harald Vilimsky, EU-Parlamentarier der FPÖ, gehen die Überlegungen nicht weit genug. Er forderte, aufgegriffene Menschen dorthin zurückzubringen, wo sie herkommen. Um das zu unterstützen, brauche man sichere Zonen in Form von Aufnahmelagern in Nordafrika, etwa in Libyen. "Unerwünschte Migranten sollen gar nicht erst nach Europa kommen", so Vilimsky, der der EU unterstellte, das Schleppergeschäft zu unterstützen.
Kritik an derartigen Gedankengängen kommt von NGOs. "Die EU stellt die Realität in Libyen falsch dar: Das Land ist kein sicherer Ort für Schutzsuchende. Menschen in Libyen festzuhalten oder sie dorthin zurückzuschicken führt die Grundwerte der EU - Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit - ad absurdum", so Arjan Hehenkamp, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen (MSF) . Die Bedingungen für Geflüchtete in Libyen seien unmenschlich.
Menschen auf der Flucht
Nach Einschätzung des Leiters des Europäischen Asylunterstützungsbüros (EASO), Jose Carreira, ist die Europäische Union in Sachen Migration für heuer gerüstet. Es werde hart daran gearbeitet, "um vom Krisenmodus in ein zukunftsfähigeres Asyl- und Migrationssystem zu wechseln", sagte Carreira. Mit all den Anstrengungen erwarten "wir ein ruhigeres" 2017. 2015 hatten laut dem EASO-Chef mehr als 1,2 Millionen Menschen in Europa Asyl beantragt. Seitdem gehe die Anzahl langsam aber stetig zurück. So waren es Carreiras Angaben nach 2016 um etwa 100.000 weniger. Und die jüngsten Zahlen von Jänner 2017 seien deutlich niedriger als im Vorjahresvergleich.
EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger fordert einen Ausgleich von EU-Ländern, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen. "Wenn denn schon die Quote nicht wie von uns erhofft umsetzbar ist, dann müssen diese Länder in anderer Form mehr tun", sagte Oettinger am Freitag dem Deutschlandfunk. Dies könne etwa beim Grenzschutz geschehen. "Jeder muss etwas bringen." Gleichzeitig äußerte er Verständnis dafür, dass manche Länder ihre Quoten nicht erfüllen.
Griechenlands Regierung hat die EU-Kommission wiederum aufgefordert, die Verpflichtungen der EU-Staaten zur Übernahme von Flüchtlingen aus dem Land durchzusetzen. "Wir fordern, dass Europa sein Versprechen endlich erfüllt", sagte der griechische Migrationsminister Ioannis Mouzalas, der Welt. Jedes Land müsse dazu verpflichtet werden, mindestens 50 Prozent seiner Quote zu erfüllen. "Man kann nicht EU-Mitglied sein und die Rechte in Anspruch nehmen, ohne die dazu gehörigen Pflichten zu erfüllen." Griechenland wartet auf die im Herbst 2015 zugesagte Verteilung von insgesamt 63.300 Flüchtlingen.
Vor dem EU-Gipfel im maltesischen Valletta hat Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) die US-Flüchtlingspolitik von US-Präsident Donald Trump scharf verurteilt. Die USA hätten eine Mitverantwortung für Flüchtlingsströme durch ihre Interventionen, sagte Kern am Freitag vor dem Treffen. Für die internationale Gemeinschaft sei Trumps Haltung "nicht akzeptabel". Man habe Trump an seinen Taten messen wollen. Jetzt habe Trump "Taten geliefert, die besorgniserregend" seien. Der Einreisebann gegen Staaten mehrheitlich muslimischer Bevölkerung sei etwa "hochproblematisch", sagte Kern.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte im Hinblick auf die US-Administration, es gebe "Raum für Erklärungen". Er habe den Eindruck, dass viele dort Europa nicht im "Detail kennen würden".
Kern für kontrollierte Zuwanderung
Kern betonte auch vor dem Hintergrund der Diskussionen zu Libyen, Europa müsse die Zuwanderung kontrollieren und dürfe nicht den Schleppern die Entscheidung überlassen. Europa habe aber auch die Pflicht, genau hinzuschauen, wie jenseits seiner Grenzen die Zustände in Flüchtlingscamps seien und die Menschenrechtslage aussehe.
Mit der britischen Premierministerin Theresa May will Kern vor dem Gipfel den Brexit-Prozess besprechen, weil der Abschluss der Verhandlungen unter die österreichische EU-Präsidentschaft 2018 fallen soll. Es gehe auch um den nächsten EU-Finanzrahmen, und um Kompensationen durch Ausfall des Nettozahlers Großbritanniens. "Wir müssen wissen, was die nächsten Schritte sind", so Kern.
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