EU-Sorge vor Regierungsbeteiligung der FPÖ: "Das wäre besonders doof"
Brexit, Digitalisierung, die Zukunft der EU – zahlreich waren die Themen der EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen in Estlands Hauptstadt Tallinn. Eine Sorge, die Österreichs Kanzler Christian Kern beim gemeinsamen Abendessen auch entgegenschlug: Eine mögliche, künftige Regierungsbeteiligung der FPÖ.
"Die gelten als krass antieuropäisch", sagte Kern und fühlte sich im Kreis seiner europäischen Amtskollegen sichtlich in einer Front gegen die Rechtspopulisten gestärkt: "Bestünde die österreichische Bevölkerung aus 28 EU-Staats- und Regierungschefs", sagt Kern scherzhaft, "hätten wir eine deutliche absolute Mehrheit."
Er stellte aber sofort klar: Vor der zweiten Runde der österreichischen Präsidentenwahl sei die Sorge aus europäischer Sicht größer gewesen. Damals, in Folge der Schockwellen von Brexit und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, wuchsen die Bedenken, Teile Europas könnte den Rechtspopulisten zufallen. Die Wahlen in den Niederlanden und in Frankreich standen bevor.
"Die Sorge war, dass Österreich der erste Stein ist und dann ein Land nach dem anderen kippt." Es kam anders, nirgendwo konnten die Rechtskandidaten siegen.
Was aber, wenn die FPÖ, als möglicher Partner einer künftigen Koalitionsregierung, in Europa neuerlich einem Trend nach rechts Vorschub leisten würde? "Das wäre, was soll ich sagen", zögert Kern bei einem Gespräch mit Journalisten einen Moment, bevor er den Satz vollendet, "besonders doof."
Neuer Schwung
In den knapp eineinhalb Jahren an der Regierungsspitze hat der Kanzler eine Reihe EU-Gipfel absolviert. Doch erst jetzt, beim letzten Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs vor der österreichischen Nationalratswahl, scheint aus der Sicht Kerns wirklich Dynamik in die Gespräche der europäische Staatenlenker gekommen zu sein. Frischer Schwung ist spürbar, den zuvorderst Frankreichs Präsident Macron vorgibt.
Es ist ein Tempo und ein Thema, in dem sich auch der zuweilen wahlkampfermüdet wirkende Kern wiederfindet: Ein "Europa der zwei Geschwindigkeiten", das die EU aus ihrer Reformstarre führen soll.
"Eine Gruppe der Willigen" solle sich zu bestimmten Themen zusammenschließen, um rascher zu Entscheidungen zu kommen, schlägt Kern vor. "Das Fortschrittstempo der EU kann sich nicht immer am langsamsten Mitgliedsstaat orientieren."
Österreich sieht der Kanzler dabei vor allem in einer gemeinsamen, gerechteren Steuer- und Sozialpolitik ganz vorne mitmarschieren. Eine seiner Prioritäten, im Gleichklang mit dem französischen Staatschef Macron: Kampf der Steuervermeidung und die Nachbesserung der Entsenderichtlinie.
Sparen - nur wo?
Und dann ist er doch wieder ein bisschen da, der heimische Wahlkampf, mit einem kleinen Seitenhieb: "Wir stehen bekanntlich in Österreich auf dem Standpunkt, dass wir nach dem Brexit ins nächste EU-Budget keinen Cent zusätzlich einzahlen werden."
Sparen sei also unausweichlich; die Frage laute nur – wo? 42 Prozent des EU-Budgets nehme der Agarsektor ein. Damit stehe man vor einer strategischen Entscheidung: Kern: "Ich habe kein Problem damit, bei der Agrarindustrie zu sparen. Aber wie das der bisherige Koalitionspartner handhaben wird, wird man sehen."
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