EU-Ratsvorsitz ist den Slowaken egal, der Brexit nicht

Arbeitsminister Jan Richter beruhigt die Slowaken.
Der drohende Ausstieg Großbritanniens aus der EU lässt viele slowakische Gastarbeiter zittern.

Heute übernimmt die Slowakei den EU-Ratsvorsitz – doch mehr als die Präsidentschaft bewegt die Slowaken das britische "Nein" zur Union.

"Das Brot wird deshalb nicht billiger", scherzt der Trafikant am alten Markt in Bratislava auf die Frage, wie er dem slowakischen EU-Vorsitz gegenüberstehe. "Aber wir Bratislaver haben jetzt schon profitiert. In der Stadt wird seit Wochen asphaltiert, Steine geklopft, gestrichen und gehämmert, bis in die Nacht hinein und auch am Wochenende."

Tatsächlich wurde viel in die Sanierung der Innenstadt investiert: Viele Straßen haben neuen Belag bekommen, die alte Donau-Brücke wurde saniert, die Innenräume der Burg sind neu gestaltet.

EU-Anhänger

Reklame für die erste slowakische Ratspräsidentschaft wird nicht gemacht. Es gibt keine Plakate mit EU-Themen oder mehr blaue EU-Fahnen als sonst. Scheinbar ist Werbung für die Union nicht notwendig, die Slowaken sind große EU-Anhänger, beim Beitritts-Referendum im Jahr 2003 haben 92 Prozent mit "Ja" gestimmt und auch jetzt ist der Zuspruch mit 62 Prozent noch hoch. "Wir haben profitiert, mit dem EU-Geld viele Kilometer Autobahnen gebaut", ist sich die Stammtischrunde in einem Marktbeisl einig.

Ein Ende der Union ist unvorstellbar, der Schock über den Brexit sitzt bei den Altherren tief. Jeder kennt jemanden, der jemanden kennt, der in Großbritannien arbeitet oder studiert. Mehr als 100.000 Slowaken sollen es sein und viele von ihnen schicken Geld nach Hause. Jetzt geht die Angst um, dass mit der Arbeitnehmer-Freizügigkeit und Sozialhilfe-Großzügigkeit auf der britischen Inseln bald Schluss sein könnte. Vor allem in der Ostslowakei, wo die Arbeitsmigration am stärksten ist.

Bystrany, eine Gemeinde in Zips, wird auch "das slowakische Chesterfield" genannt. Ein Drittel der von mehrheitlich von Roma bewohnten, 3200 Einwohner zählenden Ortschaft arbeitet in England. Der relative Wohlstand der Daheimgebliebenen ist augenscheinlich. Fast alle Häuser sind neu oder neu gedeckt. Pkw mit dem Lenkrad an der rechten Seite und gelben GB-Autokennzeichen sind zu sehen – von Gastarbeitern auf Urlaub daheim. "Wenn sie die Unsrigen aus England nach Hause schicken würden, wäre das eine Katastrophe. Hier ist weit und breit keine Arbeit zu finden", sagt der Bürgermeister von Bystrany.

Der slowakische Arbeitsminister Jan Richter versuchte seine Mitbürger zu beruhigen: "Arbeitsaufenthalte in Großbritannien werden schwieriger, aber nicht unmöglich. Arbeitsverträge müssen neu ausverhandelt werden."

Neue Autofabrik

Sorge um Verluste nach dem britischen Referendum hat auch die slowakische Autoindustrie. Viele Exporte gehen nach Großbritannien. Der Autokonzern Jaguar Land Rover wollte heuer mit dem Bau einer neuen Autofabrik bei Nitra beginnen – Investition von 1,4 Milliarden Euro. Mit Zulieferern bedeutet dies langfristig Aussicht auf bis zu 15.000 neue Arbeitsplätze. Landrover-Pressesprecherin Lisa Palmer versuchte in der slowakischen Zeitung Sme zu beruhigen: "An unseren Plänen wird nicht gerüttelt." Doch englische Medien prophezeien dem britischen Autogiganten nach dem Brexit große Verluste.

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