EU will 60.000 Flüchtlinge gerecht verteilen

Syrische Flüchtlinge landen an der Küste Griechenlands: Schutzsuchende aus Syrien und Eritrea, die bereits in Europa sind, sollen neu verteilt werden – und dazu noch 20.000 weitere aus Krisengebieten.
Mit EU-Verteilungsschlüssel sollen zunächst Italien und Griechenland entlastet werden. Alle Fakten.

Es ist die Nagelprobe dafür, was die von den Staats- und Regierungschefs oft beschworene Solidarität nicht nur in Reden, sondern auch in der Realität etwas wert ist: 60.000 Flüchtlinge sollen binnen zwei Jahren per Quote auf die EU-Staaten aufgeteilt werden – praktisch als Pilotprojekt für einen fixen Verteilungsschlüssel. Die EU-Kommission hat am Mittwoch einen konkreten Gesetzesvorschlag vorgelegt, über den beim Gipfel Ende Juni abgestimmt werden soll.

Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Um welche Flüchtlinge geht es konkret?

20.000 anerkannte Flüchtlinge aus Krisengebieten, die noch nicht in Europa sind, sollen in Zusammenarbeit mit dem UNO-Flüchtlingshilfswerk auf die EU verteilt werden.

40.000 Schutzbedürftige, die sich schon in Italien (24.000) und Griechenland (16.000) befinden, sollen auf die anderen EU-Staaten verteilt werden, um diese beiden Länder zu entlasten. Für diese Notumsiedlung sollen nur Personen in Frage kommen, die "eindeutig internationalen Schutz benötigen". Wie man das feststellt? Die Kommission hat eine Anerkennungsquote von 75 Prozent bei Asylanträgen als Latte genommen – das erfüllten 2014 Syrien und Eritrea.

Wie werden sie in die neuen Länder gebracht?

Die konkrete Übersiedlung soll ähnlich ablaufen, wie jetzt schon die Überstellung von Asylwerbern in ein anderes EU-Land, wenn dieses für sie zuständig ist.

In der Praxis heißt das zum Beispiel: Österreichische Beamte fahren mit einer Gruppe Asylwerber im Bus nach Ungarn und übergeben sie den dortigen Behörden. Für solche Fälle gibt es schon jetzt spezielle Abkommen, mit denen die Beamten dann auch im Ausland offiziell mit Befugnissen ausgestattet sind.

Warum werden nicht auch Flüchtlinge aus Malta oder Zypern neu verteilt?

Die Kommission hält die Lage derzeit nur in Italien und Griechenland für einen Sonderfall, der den vorgeschlagenen Notfallsmechanismus, also die Umverteilung per Quote, rechtfertigt. In beiden Fällen sei zu erwarten, "dass der beispiellose Strom von Migranten vorerst nicht abreißen wird". Besonders die Situation in Malta will die Kommission aber weiter "genau beobachten".

Wer ist für die Quote – und wer ist dagegen?

Deutschland und Österreich haben sich bisher am deutlichsten pro Quote positioniert – und zwar am besten gleich für alle Flüchtlinge in der EU. Beide Länder versprechen sich dadurch eine massive Entlastung. Grundsätzlichen Widerstand gegen einen fixen Verteilungsschlüssel haben bis dato Ungarn, Polen, Tschechien, die Slowakei sowie die baltischen Staaten und Frankreich geäußert.

Großbritannien hält ebenso nichts davon – allerdings haben die Briten per EU-Vertrag das Recht, sich an gemeinsamen Regelungen, die die Flüchtlingspolitik betreffen, nicht zu beteiligen. Dasselbe gilt auch für Irland und Dänemark.

Im Rat ist für den Beschluss keine Einstimmigkeit notwendig, es reicht eine Qualifizierte Mehrheit.

Wer übernimmt die Kosten für die Übersiedlung?

Für die Neuansiedlung jener 20.000 Flüchtlinge, die noch nicht in Europa sind, will die Kommission insgesamt 50 Millionen Euro aus dem EU-Budget zur Verfügung stellen.

Für jeden der 40.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland, sollen die aufnehmenden Länder 6000 Euro aus dem Asyl- und Migrationsfonds im gemeinsamen Haushalt bekommen.

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"Österreich ist bereit, 1213 Flüchtlinge aufzunehmen und die EU-Quote zu erfüllen, wenn unter dem Strich eine massive Entlastung für uns herauskommt", sagt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner zum KURIER.

Die Ministerin befürwortet somit die Quote, die von der EU-Kommission vorgeschlagen wurde (Artikel und Grafik links), sie will aber gleichzeitig auch, dass Griechenland und Italien ihren Pflichten nachkommen und Flüchtlinge nicht automatisch in andere Länder weiterschicken.

Die "massive Entlastung" für Österreich würde demnach darin bestehen, dass der Flüchtlingsstrom aus Griechenland und Italien deutlich nachlässt. "Es muss sichergestellt sein, dass in diesen Ländern alle Flüchtlinge tatsächlich registriert, aufgenommen und versorgt werden, anstatt zusätzlich nach Österreich zu strömen", betont die Innenministerin.

Erneut bekräftigt sie, für eine strenge Kontrolle der EU-Außengrenzen einzutreten. "UNHCR-Anlaufstellen in Nordafrika sollen rasch geplant und errichtet werden. Es soll künftig nicht mehr die automatische Einreise in die EU geben, sondern eine Erstprüfung in einer solchen Anlaufstelle des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge in Nordafrika. Nur so werden wir das Massensterben im Mittelmeer verhindern und einen Strategiewechsel in der Migrationspolitik herbeiführen", erklärte Mikl-Leitner.

Grundversorgung

Derzeit befinden sich 35.000 Flüchtlinge in der Grundversorgung in Österreich. Im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedsländern ist das eine hohe Zahl.

Sowohl Bundeskanzler Werner Faymann als auch Mikl-Leitner haben in der Vergangenheit stets für ein EU-Quotensystem gekämpft. "Mit der Quote ist die Dublin-Verordnung gescheitert", sagte EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer, Menschenrechtssprecher der Europäischen Sozialdemokraten.

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