"Trostpreis": Schulz könnte an EU-Parlamentsspitze bleiben

Martin Schulz (li.) folgt am Mittwoch Hannes Swoboda als Fraktionschef der Sozialdemokraten im EU-Parlament – zunächst vorübergehend.
Wahlverlierer Schulz hat kaum Chancen, Kommissar zu werden. Als Ersatz bleibt sein jetziger Job.

Hinter der großen Personalfrage, ob Jean-Claude Juncker EU-Kommissionschef wird, steht eine kleinere: Was wird Martin Schulz, der als europaweiter Spitzenkandidat der Sozialdemokraten in den EU-Wahlkampf zog?

Schulz wird heute, Mittwoch, als Nachfolger von Hannes Swoboda zum Fraktionschef der Sozialdemokraten im EU-Parlament gewählt. Interimistisch – damit Schulz für die Sozialdemokraten die Verhandlungen (mit Juncker) über die nächste Kommission und ihr Programm weiterführen kann.

Und dann?

Juncker hätte nichts dagegen, Schulz als seinen Stellvertreter in die Kommission zu nehmen, doch müsste er dafür von der deutschen Regierung nominiert werden. Als Wahlsieger pocht die Union jedoch auf den Posten.

Als "Trostpreis" bleibt für Schulz am ehesten das Amt, das er seit Anfang 2012 inne hat: Seine Wiederwahl als Parlamentspräsident ist im Gespräch.

Üblicherweise wechseln sich Sozial- und Christdemokraten nach zweieinhalb Jahren ab; Schulz wäre der erste Präsident auf fünf Jahre. "Ich glaube, für die Sichtbarkeit des Parlaments wäre eine stärkere Kontinuität günstig", sagt SPÖ-Routinier Swoboda. Auch der Kommissionschef sei (mindestens) fünf Jahre im Amt.

"Große Koalition"

Swoboda betont, dass für Schulz ein hochrangiger Posten gefunden werden müsse: "Nicht, um Martin Schulz zu versorgen. Aber um die Stimmen, die die Sozialdemokraten bei der Wahl bekommen haben, anzuerkennen."

In Rat und Parlament müssen Sozial- und Christdemokraten zusammenarbeiten, um das Personalpaket (Kommissionschef, Ratspräsident, Außenbeauftragter, etc) und das Programm der nächsten Jahre zu beschließen. Damit sie Juncker wählen, wollen die Sozialdemokraten – angeführt von Italiens Premier Renzi – unter anderem mehr Flexibilität beim Wachstums- und Stabilitätspakt. Auch der Ratspräsident sollte, als Gegengewicht zu Juncker, ein Sozialdemokrat sein.

Auch Schulz’ Wiederwahl wäre Teil dieses "großkoalitionären" Pakets.

Der Tenor in Brüssel: Schulz’ Chancen hängen vor allem vom Zeitplan ab.

"Eine Mehrheit für Schulz ist wahrscheinlich", sagt ein konservativer Diplomat, "aber nur, wenn er Teil des Gesamtpaketes ist und dieses schnell konkrete Züge annimmt." Denn die Verschiebung der Wahl des Parlamentschefs – planmäßig in der ersten Juli-Woche – sei "extrem unwahrscheinlich".

Anders als in Ratskreisen geht man in den beiden großen Parlamentsfraktionen aktuell aber davon aus, dass Juncker schon beim Gipfel kommende Woche von den Staats- und Regierungschefs offiziell als Kommissionspräsident nominiert wird.

Breite Mehrheit

Sobald das geschehen ist, will Juncker auch mit Liberalen und Grünen im Parlament Gespräche führen – und so eine breite Mehrheit für sich, sein Programm, und damit wohl auch für Schulz bilden.

Für die Europäische Volkspartei, sagt einer der ihren, wäre es gar kein großes Opfer, die Parlamentsspitze erst mit Verspätung zu übernehmen: Als Parlamentspräsident in den Wahlkampf zu ziehen, ist ein Startvorteil – für Schulz hat es diesmal trotzdem nicht ganz zum Traumjob gereicht.

Schulz, der bodenständige Buchhändler

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