EU-Parlament macht sich stark für Sanktionen gegen Ungarn

Ungarns Regierungschef Viktor Orban
Mehr und mehr EU-Staaten gefährden den Grundkonsens der EU. Ungarn stehen mögliche, massive Strafen ins Haus.

Unter europäischen Regierungen sind solche Töne neu, eine Lawine gegenseitiger Drohungen rollt: „Wir sind nicht bereit, für dieses Europa zu bezahlen“, donnerte Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian in der Vorwoche. Er wandte sich damit direkt gegen finanzielle Unterstützung für jene EU-Staaten, „die grundlegende Prinzipien der EU nicht respektieren“.

Gemeint sind Polen und Ungarn. Aber auch Rumäniens Regierung rüttelt aus Sicht Brüssels immer bedrohlicher an den Grundpfeilern der Rechtsstaatlichkeit. Und Italiens Regierung der Populisten drohte gar aus Ärger über die nicht funktionierende Migrationspolitik, die Zahlungen ins gemeinsame EU-Budget einzustellen.

Macht in der EU jetzt bald jeder, was er will? Ob Italien, Polen oder Bayern, ärgert sich EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer (SPÖ), „es ist absurd, wenn aus innenpolitischem Kalkül ständig der Grundkonsens der Europäischen Union in Frage gestellt wird“. Dieser Konsens – er beruht auf den gemeinsamen Regeln der Union, auf der Gewaltenteilung, einer unabhängigen Justiz.

Gegenüber Ungarn könnte das EU-Parlament demnächst einen drastischen Schritt setzen. Stimmt das Plenum der Abgeordneten nächsten Mittwoch zu, steht Ungarn die sogenannte „Atombombe“ ins Haus: Ein Rechtsstaatsverfahren (nach Artikel-7), an dessen Ende der Entzug der Stimmrechte für Ungarn stehen könnte. De facto wäre dies fast eine Art Rauswurf aus der EU.

Ungarn-Abstimmung

Dass es je so weit kommt, scheint allerdings noch fraglich: Unklar ist zunächst, ob die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit im Parlament überhaupt zustande kommt. Wenn doch, wird das Parlament die EU-Kommission dazu auffordern, dieses Verfahren einzuleiten. Doch am Beispiel Polens, gegen das die Kommission bereits ein Artikel-7-Verfahren am Laufen hat, zeigt sich: Der Prozess steckt fest und droht zu versanden.

Trotz eingeschränkter Aussicht auf Erfolg hält Weidenholzer, Mitglied der parlamentarischen Überwachungsgruppe zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit, es für notwendig, „eine klare Linie zu ziehen. Man kann nicht immer aus taktischen Gründen alles hinnehmen.“

Wie etwa die jüngste Drohung von Polens Vize-Premier Gowin: Der meinte, Warschau werde „leider“ ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) nicht anerkennen können, sollte der EuGH im Fall der umstrittenen Justizreform gegen Polen entscheiden. EuGH-Sprüche aber haben alle EU-Staaten zwingend umzusetzen.

Staaten, die den EU-Konsens brechen, könnten derzeit nicht wirklich sanktioniert werden, konstatiert Weidenholzer. „Dazu müssen wir erst ein praktikables, niederschwelligeres Instrument schaffen“, fordert er. „Einen Mechanismus, der frühzeitg warnt. Wir brauchen aber auch ein Verfahren, das nicht so drastische Strafen wie die „Atombombe“ androht, sodass sie erst gar nicht eingesetzt werden können“.

 

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