EU leitet offiziell Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen ein

Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo
Grund für den Zwist ist die Justizreform, die es möglich macht, dass der Justizminister alle leitenden Richter an den gewöhnlichen Gerichten einschließlich der Berufungsgerichte ernennen oder entlassen kann. Ulrike Lunacek begrüßt Entscheidung.

Die EU hat das wegen der umstrittenen Justizreform angekündigte Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Dies sei nach der Veröffentlichung eines der Gesetze im polnischen Gesetzblatt am Freitag geschehen, teilte die EU-Kommission am Samstag mit. Ein Vertragsverletzungsverfahren kann zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und empfindlichen Geldstrafen führen.

Beanstandet wird das von Präsident Andrzej Duda unterzeichnete Gesetz, wonach der Justizminister alle leitenden Richter an den gewöhnlichen Gerichten einschließlich der Berufungsgerichte ernennen oder entlassen kann. Die Regierung in Warschau hat nun einen Monat Zeit auf den formalen Bescheid aus Brüssel zu reagieren.

Das polnische Parlament hatte ungeachtet massiver Proteste aus dem In- und Ausland die drei Gesetze des Reformpakets vergangene Woche verabschiedet. Präsident Duda legte als Reaktion auf die Proteste allerdings sein Veto gegen zwei Gesetze ein. Ein drittes unterzeichnete er.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte das Vorgehen Polens scharf kritisiert. "Eine unabhängige Gerichtsbarkeit ist eine wesentliche Voraussetzung für die Mitgliedschaft in unserer Union", erklärte Juncker. Die EU könne daher kein System akzeptieren, das die willkürliche Entlassung von Richtern ermögliche. "Wenn die polnische Regierung damit fortfährt, die Unabhängigkeit der Gerichte und den Rechtsstaat zu untergraben, werden wir keine andere Wahl haben als den Artikel 7 auszulösen." Nach diesem Artikel des Vertrages von Lissabon ist eine Suspendierung der EU-Stimmrechte eines Staates möglich, wenn dieser in schwerwiegender Weise die Grundwerte der Europäischen Union verletzt, darunter Rechtstaatlichkeit, Freiheit, Demokratie und Achtung der Menschenrechte.

Der polnische Europaminister Konrad Szymanski hat das Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Polen als "unbegründet" zurückgewiesen. Der Politiker der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sagte der Agentur PAP am Samstag, das von Brüssel kritisierte Gesetz über die allgemeine Gerichtsbarkeit garantiere alle Prozessrechte und ermögliche die Einlegung von Rechtsmitteln.

Luncek begrüßt Vorgehen der EU

Die Vizepräsidentin des Europaparlaments und Spitzenkandidatin der Grünen für die Nationalratswahlen, Ulrike Lunacek, begrüßt das Vorgehen der Europäischen Kommission gegen Polen, ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der umstrittenen Justizrechtsreform einzuleiten. "Hier werden europäische Grundrechte zu Grabe getragen, dem müssen wir einen Riegel vorschieben", so Lunacek laut Aussendung.

Das von Staatspräsident Andrzej Duda unterzeichnete Gesetz sieht vor, dass der Justizminister alle leitenden Richter und Richterinnen an den gewöhnlichen Gerichten einschließlich der Berufungsgerichte ernennen oder entlassen kann.

"Das entschiedene Vorgehen der EU ist notwendig, ansonsten machen wir uns mitschuldig daran, dass Polen den Weg der Unrechts-Staatlichkeit weiter geht. Nur mit entsprechendem Druck kann die polnische Regierung zum Umdenken gezwungen werden", so Lunacek. Das Verfahren sei "ein wichtiges Signal an die polnische Bevölkerung, dass die Europäische Union sie nicht alleine lässt."

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