EU-Kommission gegen Strafen für Türkei
Wenn es um das Nehmen von EU-Geldern geht, ist die Türkei nicht zimperlich. Als EU-Kandidat stehen dem Land so genannte Vorbeitrittshilfen zu, die vor allem die demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen stärken sollen. Von 2007 bis 2015 bekam die Türkei 4,8 Milliarden Euro, für die Finanzperiode 2014 bis 2020 sind weitere 4,5 Milliarden eingeplant.
Dazu kommen sechs Milliarden Euro bis Ende 2017 als Unterstützung für die Aufnahme von syrischen Kriegsflüchtlingen. Die Summe wird direkt an Hilfsorganisationen ausbezahlt.
EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Erweiterungskommissar Johannes Hahn haben zuletzt in einem dramatischen Appell die türkische Regierung gewarnt, nach dem gescheiterten Militärputsch "inakzeptable Entscheidungen" zur Kontrolle des Erziehungswesens, der Justiz und der Medien zu treffen. "Wir fordern die türkischen Behörden auf, unter allen Umständen die Rechtsstaatlichkeit, die Menschenrechte und die grundlegenden Freiheiten einschließlich des Rechts auf ein gerechtes Gerichtsverfahren zu respektieren", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.
EU-weit wird heftig diskutiert, ob die EU nicht härter gegen die Türkei vorgehen solle. In Deutschland verlangt Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU) das "sofortige Einfrieren" der sogenannten Heranführungshilfen. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özuguz ist aber dagegen. "Ich habe auch nicht gedacht, dass man sich mit Russland näherkommt, wenn man quasi überall nur Sanktionen verhängt", erklärt die SPD-Politikerin ihren Standpunkt.
Beispiel Mazedonien
Auf Anfrage des KURIER heißt es in der EU-Kommission, dass derzeit nicht geplant sei, europäische Gelder einzufrieren oder gar den Beitrittsprozess zu stoppen, wie das CSU-Chef Horst Seehofer fordert.
Doch gegenüber Mazedonien wurde kürzlich die "Geldkeule" als ein Mittel eingesetzt, um die Regierung in Skopje zur Räson zu rufen: Am 6. Juli hat die EU-Kommission 27 Millionen Euro an Vorbeitrittshilfen für Mazedonien gestrichen. Die drastische Maßnahme für das Jahr 2016 wurde mit mangelndem politischen Willen der Regierung für Reformen und Chaos in den Planungsbehörden begründet.
Theoretisch gäbe es mehrere Möglichkeit, die Türkei zu sanktionieren. Neben dem Einfrieren von EU-Geldern könnte die EU folgende Schritte gegenüber der Türkei ins Auge fassen: die Beitrittsverhandlungen suspendieren, den Flüchtlingspakt aufkündigen oder das Studentenaustausch-Programm Erasmus nicht mehr fortführen. Die Türkei stellt unter den 33 Nationen, die am Erasmus-Programm teilnehmen, die sechstmeisten Austauschstudenten. Einwand der Kritiker solcher Strafmaßnahmen: "Es trifft die Falschen."
Faktum ist: Das Einfrieren der Gelder oder der Beitrittsverhandlungen setzt die Zustimmung aller EU-Mitgliedsländer voraus.
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