CETA: Verhandlungen bis zur letzten Minute

Heiß umfehdet, wild umstritten: CETA (und TTIP).
Belgien berät neuerlich über eine CETA-Einigung. EU-Ratspräsident Donald Tusk und der kanadische Premier Justin Trudeau arbeiten weiter auf eine Unterzeichnung des Vertrags am Donnerstag hin.

Belgien startete Dienstagnachmittag einen neuen Versuch für eine Einigung über das EU-Kanada-Freihandelsabkommen CETA. Außenminister Didier Reynders berief für 16.00 Uhr eine Sitzung mit den Regionen ein, um zu einer Lösung zu kommen. Die Wallonie blockierte bisher das Abkommen, das am Donnerstag beim EU-Kanada-Gipfel unterzeichnet werden soll.

Der flämische Ministerpräsident Geert Bourgeois hat wegen des kurzfristig einberufenen Treffens ebenso kurzfristig eine Reise nach London abgesagt, wo er wegen des Brexit Gespräche angesetzt hatte. Seitens der EU-Kommission zeigte sich unterdessen weiter zuversichtlich. "Belgien ist dabei, eine gemeinsame Lösung zu finden. Wir stehen bereit, in diesem Prozess behilflich zu sein."

Wallonischer Premier Paul Magnette vor dem Treffen
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REUTERS/FRANCOIS LENOIR
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Minister-President of Wallonia Paul Magnette arrives for a meeting on the Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA), a planned EU-Canada free trade agreement, at the Egmont Palace in Brussels, Belgium, October 25, 2016. REUTERS/Francois Lenoir
Wallonien: "Kein viertes Ultimatum"

Der wallonische Regierungschef Paul Magnette hatte aber vor Beginn der Verhandlungsrunde in Brüssel betont, dass "wir kein viertes Ultimatum tolerieren". Magnette erklärte in belgischen Medien: "Man hat uns schon dreimal ein Ultimatum gestellt. Wir tolerieren nicht ein viertes, andernfalls hören wir auf zu verhandeln."

Es gehe nicht an, dass über das parlamentarische Prozedere drübergefahren wird, so der sozialdemokratische Regionalpremier. "Wir verhandeln im guten Glauben. Ich habe immer gesagt, dass wir nicht gegen ein Abkommen mit Kanada sind. Aber wir wollen nicht, weder heute noch morgen, private Schiedsgerichte". Die Konflikte zwischen den Multis und den Staaten müssten durch öffentliche Gerichte geregelt werden, die die öffentlichen Interessen verteidigen, sagte Magnette.

EU und Kanada halten an Gipfel fest

Die EU und Kanada halten trotz Ablehnung der Wallonie am Donnerstagstermin für ihren Gipfel zur Unterzeichnung des CETA-Freihandelsabkommens fest. Der kanadische Premier Justin Trudeau erklärte Dienstagnachmittag über Twitter: "Ich habe mit EU-Ratspräsident Tusk heute gesprochen. Wir stimmen überein, dass die EU und die Mitglieder ihre Arbeiten bis zum Gipfel am Donnerstag fortsetzen sollten."

Zuvor hatte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz erklärt, er "glaube nicht, dass wir diese Woche noch eine Lösung haben werden". "Wir sind nicht naiv", kommentierte ein EU-Vertreter Nachfragen nach dem Termin.

EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte am Montagabend überraschend bekanntgegeben, dass man gemeinsam mit Kanada zunächst an dem Gipfel zur feierlichen Unterzeichnung festhalte - und das, obwohl Belgien den Pakt zum Abbau von Zöllen und Handelsschranken nach wie vor nicht mittragen kann.

Bis zur letzten Minute

Man sei gemeinsam der Auffassung gewesen, die Sache sei einfach zu wichtig, um nicht bis zur letzten Minute alles zu versuchen, erläuterte der EU-Vertreter. Dass der kanadische Premier Justin Trudeau noch einmal mehr Zeit gewähre, sei ein gutes Signal. Trudeau werde aber nicht nach Brüssel kommen, wenn CETA nicht unterschrieben werde. Wie so rasch eine Lösung gefunden werden könnte, blieb offen.

Die belgische Region Wallonie und andere Regionalvertreter des Föderalstaats haben ihr Veto gegen CETA eingelegt, so dass Belgien als einziger der 28 EU-Staaten nicht unterschreiben kann. Der Pakt ist damit blockiert. Die sozialistische Regierung der Wallonie sorgt sich unter anderem um ihre Landwirtschaft und um Umwelt- und Sozialstandards sowie um die geplanten Mechanismen zur Streitschlichtung zwischen Unternehmen und Staaten.

Hektische Vermittlungsversuche in den vergangenen Tagen haben keine Lösung gebracht. Aus der EU-Kommission hieß es, man begleite weiter die laufenden innerbelgischen Gespräche. Die Suche nach einer Lösung erfordere jedoch Zeit und Geduld. Wenn es so zeitig klappen sollte, dass der Gipfel am Donnerstag stattfinden könne, sei das umso besser.

Auch bei Absage nicht vom Tisch

Diese Linie hatte ein Kommissionssprecher schon am Montag vertreten: Selbst wenn der Gipfel abgesagt werde, sei CETA nicht vom Tisch. Auch Parlamentspräsident Schulz sagte: "Wenn man dazu 14 Tage mehr Zeit braucht, verschiebt man eben so einen Gipfel." Er sehe CETA nicht als gescheitert an.

Österreichs Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) geht davon aus, dass das CETA-Abkommen von allen EU-Staaten unterzeichnet wird - "über kurz oder lang". Auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) meint, dass man zu einem positiven Abschluss kommen "könnte". Wann die Verhandlungen nach dem bisherigen Veto Belgiens abgeschlossen werden könnten, wollten die Regierungsspitzen nach dem Ministerrat nicht einschätzen. Die nächsten Stunden würden für Gespräche genützt, meinte Kern.

Allerdings weitet sich der Streit um das 2014 ausgehandelte Abkommen längst in eine Grundsatzdebatte über die Handlungsfähigkeit der EU aus. Ursprünglich war geplant, dass nur das EU-Parlament den von der Kommission ausgehandelten Pakt ratifiziert. Doch im Sommer setzte unter anderen Deutschland durch, dass Parlamente in allen 28 Staaten mitreden dürfen.

Im Toronto Star, mit einer Auflage von über zweineinhalb Millionen Stück, die größte Zeitung Kanadas, wird „Kanadas falsche Strategie in den Verhandlungen mit der EU“ kritisiert: „Kanadas größter Fehler war es, die Verhandlungen als Angelegenheit zwischen Kanada und der EU zu betrachten statt sie als Reihe von 28 bilateralen Vereinbarungen zu sehen. Wenn die Verhandler das Abkommen noch retten wollen, muss jetzt dieser Ansatz umgesetzt werden.“

„Der Freihandel wird angegriffen“, titelt „The Globe And Mail“ seinen Kommentar. „Sollte CETA scheitern, könnte das ein Präjudiz sein – nicht nur für das stark kritisierte Abkommen TTIP. Zusätzlich könnte es die Probleme aufzeigen, vor denen jede Abkommen stehen, mit denen Großbritannien nach dem Brexit sein Verhältnis zur EU regeln will.“

Der „Ottawa Citizien" bezeichnet CETA als „ein rettungswürdiges Abkommen“ und warnt: „Wenn sich Kanada nicht mit Europa zusammenraufen kann, - das heißt, wenn es die Europäer nicht schaffen, nicht von Wallonien oder irgendeiner anderen nabelschauenden Prinzipialität in Geiselhaft genommen zu werden – könnte sich der Handelsfokus der Regierung von Premier Trudeaux auf andere Ziele richten, die nicht zu unserem Vorteil sind. Wir verweisen auf China.“

„CETA ist tot? Lang lebe CUKTA“, kommentiert die „Financial Post“ aus Toronto: „Die EU hat sich in eine Lage manövriert, die es äußerst schwierig macht, auch nur irgendein internationales Handelsabkommen abzuschließen. Selbst, wenn CETA doch noch gerettet werden kann, ohne Großbritannien in der EU ist viel des ursprünglichen Nutzens verloren gegangen. Aber Kanada hat mit CETA eine Vorlage, um einen schnellen (und einfachen) Deal mit Großbritannien zu schließen, von dem nach dem Brexit beide Seiten profitieren können.“

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