Gipfel-Analyse: Volle Kraft in Richtung Abschottung

Der EU-Gipfel in Brüssel hat nur eine Teileinigung gebracht - auf die entschlossene Abgrenzung gegen illegale Migration.

Es war ein  kräftezehrendes Ringen um einen Kompromiss, der erst heute  knapp vor fünf Uhr früh endete: Die 28 EU-Staaten haben sich bei ihrem Gipfel in Brüssel auf  einen neuen, härteren Kurs in der Migrationspolitik geeinigt. Der zielt auf Abschottung und stärkeren Schutz der EU-Außengrenzen. Vermittelt wird aber vor allem die Botschaft: Kein Migrant soll mehr den lebensgefährlichen Weg übers Meer antreten, denn der Weg wird nicht mehr nach Europa führen.  

In ihrer gemeinsamen Gipfelerklärung haben sich die 28 EU-Staaten darauf geeinigt,  Sammellager in nordafrikanischen Staaten  zu errichten.  Dorthin sollen aus dem Meer gerettete Migranten gebracht werden.  Und dort wird anschließend überprüft, ob  die  Geretteten Recht auf Asyl haben oder nicht. Das Konzept, das allerdings noch Jahre bis zu seiner Realisierung brauchen wird, hat einen Schönheitsfehler: 

"Landezentren" in Afrika bisher nur Theorie

Obwohl Kanzlerin Merkel bei einer Pressekonferenz im Morgengrauen versicherte, dies werde im Einklang mit den afrikanischen Staaten geschehen, gibt es aus Nordafrika bisher dazu nur ein klares Nein. Alle Staaten, von Ägypten bis Marokko, von Libyen bis zum Niger und dem Tschad lehnen die Errichtung derartiger Lager auf ihrem Territorium ab. 

Man befürchtet, dass die „Landezentren“ wahre Magneten für Migranten aus Afrika werden könnten. Zudem ist völlig unklar, was mit jenen Menschen geschehen soll, die abgewiesen werden. 

 

Aber auch Migranten, die es bis in die EU geschafft haben, sollen sich künftig nicht mehr frei bewegen können:  Denn auch in der EU sollen geschlossene Aufnahmelager für gerettete Bootsflüchtlinge eingerichtet werden. Das bedeutet:  Die Geretteten müssen dort warten, bis ihre Prüfungsverfahren abgeschlossen sind.  Voraussetzung dafür:  Die Länder werden diese Lager freiwillig errichten. Aus diesen Lagern heraus sollen die Menschen wiederum auf Staaten verteilt werden - nur an Staaten, die freiwillig mitmachen. Eine verpflichtende Verteilung von Flüchtlingen, wie sie vor allem die Staaten Osteuropas ablehnen, wird es also nicht geben.

Weiter keine Lösung bei Verteilung

„Lang und hart“, seien die nächtlichen Diskussionen gewesen, schilderte Bundeskanzler Sebastian Kurz in der Früh. Er zeigte sich zufrieden, dass sich die EU-Staaten bei den Sammellagern und dem stärkeren Außen-Grenzschutz einig wurden. Die „harten Diskussionen“ führten aber weiter zu keinem Kompromiss in der Frage, wie Flüchtlinge innerhalb der EU verteilt werden sollen. Nach wir vor drängt vor allem Italien massiv darauf, nicht länger alle Asylsuchenden aufnehmen zu müssen, die in Italien landen. Von einer Reform der Dublin-Regelung, wonach das erste EU-Land für Asylverfahren zuständig ist, dessen Boden ein Flüchtling betrifft, ist man in der EU also noch weit entfernt. Viele Fragen in der europäischen Migrationspolitik bleiben damit weiter offen. Der Gipfel in Brüssel hat nur eine Teileinigung gebracht - und zwar auf die gemeinsame Botschaft der entschlossenen Abgrenzung gegen illegale Migration.

Und noch eine Botschaft der Abschreckung sendet die EU an ankommende Migranten: Auch Malta verschärft die Gangart gegen Hilfsorganisationen auf dem Mittelmeer. Dabei sollen die Häfen des Landes nicht mehr für alle NGOs zugängig sein. Von einem generellen Hafenverbot für NGOs ist jedoch nicht die Rede.

Kommentare