Heftiger Streit: Lässt die EU Gentechnik auf den Teller?

Aus Brüssel
Gentechnik im Essen: Gerade in Österreich erregt kaum etwas so sehr die Gemüter beim Thema Nahrung als der mögliche Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft. Anders als die meisten EU-Länder hat Österreich den Anbau genmanipulierter Nutzpflanzen untersagt.
Ohnehin sind nur wenige dieser durch Gentechnik hergestellten Sorten, die so etwa gegen Schädlinge resistent sind, oder Unkrautvernichter besser vertragen, in der EU zugelassen. Österreich erreicht die Gentechnik in der Landwirtschaft nur durch Importe von genmanipuliertem Soja als Viehfutter.
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Das könnte bald anders werden. Die EU-Kommission legt in zwei Tagen ihre Entwürfe für drei Gesetzespakete vor, alle aus dem Spannungsfeld zwischen Umweltschutz und Landwirtschaft.
Es geht um Schutz des Bodens, der quasi dem von Wasser und Luft gleichgestellt werden soll, um neue Regelungen für Saatgut und um solche für die Gentechnik in der Landwirtschaft: Mit Sicherheit die brisanteste Materie.
Das wird allein dadurch deutlich, dass der noch geheime Entwurf in die Hände von Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace, aber auch an die Grünen im EU-Parlament gelangt ist. Beide sorgen sich, dass das Gesetz Tür und Tor für den weitgehend unkontrollierten Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft öffnen könnte.
Neue Technik der Genmanipulation
„Wenn das Gesetz wird, werden die Konsumenten nicht mehr wissen, ob sie Essen mit genmanipulierten Bestandteilen zu sich nehmen“, meint etwa der österreichischen EU-Abgeordnete Thomas Waitz zum KURIER.
Hintergrund für den neuen Gesetzesvorstoß ist eine neue Technik der Genmanipulation. Als „Genschere“ bekannt, liefert die Methode – anders als bisherige unpräzisere gentechnische Praktiken – die Möglichkeit, Gene aus dem Erbgut von Pflanzen quasi auszuschalten, oder sie in einem zweitem Schritt durch ein anderes Gen zu ersetzen.
CRISPR-CAS heißt die neue Methode der Genmanipulation, mit der seit Jahren in der Medizin oder in der Landwirtschaft experimentiert wird. Die sogenannte „Genschere“ arbeitet deutlich präziser als bisherige Techniken und macht so das Risiko unerwarteter Konsequenzen, also gefährlicher Eigenschaften der genmanipulierten Organismen, weit geringer.
Das nützen auch die Hersteller von Saatgut, die ihre Nutzpflanzen mit Hilfe der Genschere etwa gegen Trockenheit, oder Hitze widerstandsfähiger machen wollen. Im Sinne guter Geschäfte macht man das Saatgut auch gegen Unkrautvernichter oder Schädlinge resistent. Mit Hilfe von Patentrechten verschafft man sich immer mehr Marktmacht.
Damit können Eigenschaften von Pflanzen gezielt verändert werden. Die Agrarindustrie verspricht seither, Nutzpflanzen, die gezielt an Veränderungen durch den Klimawandel angepasst sein sollen: Hitzewellen, Wassermangel, oder neue Pflanzenkrankheiten.
Dabei entfallen strenge und aufwendige Kontrollen
Beschränkt man sich auf das Ausschalten von Genen, sollen die neuen Pflanzen – so sieht es der Gesetzesentwurf vor – ihren auf konventionelle Weise gezüchteten Artgenossen gleichgestellt werden. Damit entfallen die strengen und aufwendigen Kontrollen, die bisher bei genmanipulierten Pflanzen in der Landwirtschaft vorgeschrieben waren. Schließlich, meinen Befürworter, hätten diese Änderungen auch auf natürlichem Weg entstehen können.
Damit aber wollen Umweltschützer wie Greenpeace sich nicht abfinden. „Nennen wir das Ding beim Namen“, so eine Sprecherin: „Das ist immer noch Gentechnik. Die will die EU-Kommission jetzt von allen Sicherheitsmaßnahmen befreien und die Risiken ignorieren.“
Keine Kennzeichnung
Für die Konsumenten, so das Argument der Umweltaktivisten, hätte das zur Folge, dass das Essen auf ihrem Teller genmanipulierte Zutaten enthalten könne, ohne dass sie wie bisher darüber informiert werden müssten. „Die Menschen sollten doch ein Recht darauf haben, dass sie wissen, was sie essen.“
Skeptisch gibt sich auch der Grüne Parlamentarier Waitz. Die Versprechen der Agrarindustrie, Pflanzensorten zu konstruieren, die etwa weniger Wasser verbrauchen würden, die habe es schon bei den früheren Methoden der Gentechnik gegeben.
Stattdessen aber habe man Sorten produziert, die etwa gegen die firmeneigenen Unkrautvernichter resistent seien: „Da geht es den Firmen schlicht um ihr Geschäft.“ Problematisch sieht Waitz auch die bereits beantragten Patentrechte für die Produkte der neuen Gentechnik. Wenn diese ihren natürlich entstandenen Verwandten tatsächlich so ähnlich seien, wie behauptet, dann könne doch eine Firma kein Patent auf diese beantragen.
Die bisher geltenden EU-Regelungen für Saatgut schützen auch alte, von Bauern, oder Gärtnern seit Generationen verwendete Sorten. Allerdings wurde deren Einsatz mengenmäßig stark beschränkt. Bei der neuen Saatgut-Verordnung soll auch der großflächige Einsatz dieser Sorten ermöglicht werden. Naturschützer, wie die Saatgut-Spezialisten von Arche Noah, befürworten diese Pläne.
Allerdings befürchten sie neue Prüfungen und Kontrollen für diese Sorten, die gerade für kleinere Produzenten viel zu aufwendig sind. Auch das Patentrecht könnte viele dieser Sorten ausschließen und so erneut die ohnehin übermächtige Rolle der von der Agrarindustrie verwendeten Nutzpflanzen stärken.
Sorge um alte Sorten
Patente machen auch den Saatgut-Schützen der österreichischen Organisation Arche Noah Sorgen. Ihnen geht es vor allem um die vom Aussterben bedrohten Pflanzenarten aus der traditionellen Landwirtschaft. In Österreich sei deren Verwendung durch die geltenden EU-Regeln einigermaßen abgesichert.
Doch die neue Saatgut-Regelung und der Einsatz der Gentechnik könnte die Übermacht der Saatgut-Industrie noch vergrößern. Wenn dann gerade für die traditionellen Sorten neue gesetzliche Hürden errichtet würden, sei das „schlecht für Umwelt, Landwirtschaft und Gesundheit.“
Bodenschutz ist derzeit eines der am heftigsten debattierten Umweltschutz-Themen bei der EU in Brüssel. Das sogenannte „Renaturierungsgesetz“, das einen Teil landwirtschaftlich verwendeter Böden wieder in einen naturähnlichen Zustand versetzen soll, wird gerade im EU-Parlament blockiert: Von konservativen Parteien wie der ÖVP, die Schwierigkeiten für die Bauern befürchten.
Das jetzt von der EU-Kommission vorgeschlagene Gesetz für Bodengesundheit soll Europas Böden ganz grundsätzlich unter Schutz stellen. Eine solche Regelung würde die Landwirtschaft massiv unter Druck setzen, die Auslaugung und Überdüngung von Böden zu reduzieren. Das wird auf massiven Widerstand stoßen.
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