PRO
Original italienische Pasta. Ein Genuss! Aus genverändertem Weizen? Ein Gift! Gentechnisch modulierte Nahrungsmittel zu verteufeln hat in Europa, vor allem in Österreich, Tradition. Diese vehemente Ablehnung ist irrational: Pflanzen, in deren Erbgut eingegriffen wurde, essen wir nämlich alle täglich. Um die für geschmeidige Pasta essenziellen Hartweizensorten zu züchten, wurde das Getreide derart stark bestrahlt, dass sich die Gene des Korns beugten – und für den „al dente“-Genuss günstig veränderten. Was dabei genau im Pflanzengenom passiert ist? Weiß man nicht. In Italien bedecken Hartweizen-Mutanten inzwischen 70 Prozent der Anbaufläche – ganz legal, denn diese Pflanzen werden nicht als Gentechnik gewertet. Aber was man nicht weiß, macht einen bekanntlich nicht heiß.
Hitzig diskutiert werden allerdings die Pläne der EU, Nutzpflanzen, die mit modernsten, zielgerichteten Verfahren günstig verändert werden, breiter zuzulassen. Die Gen-Schere, eine geniale Erfindung, macht’s möglich. Dennoch sträubt sich die europäische Seele gegen kontrolliert optimierte Tomaten, Kartoffeln oder Maiskolben. Weltweit werden sie bereits auf Millionen Hektar Fläche angebaut. Diese – im wahrsten Sinne des Wortes – Feldexperimente zeigen: Gen-Pflanzen sind nicht gefährlicher als konventionelle Züchtungen. Selbstverständlich müssen neue Technologien reguliert werden. Die EU prüft Lebensmittel aber nicht erst seit gestern auf ihre Sicherheit. Was man nicht weiß, macht einen manchmal eben auch heiß.
Marlene Patsalidis ist Wissen-Redakteurin
CONTRA
Laut der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation wird derzeit Nahrung für etwa 12 Milliarden Menschen produziert, auch wenn wir nur knapp über acht Milliarden Menschen sind. Dennoch hungert derzeit rund eine Milliarde Menschen, wissen wir vom UN-Welternährungsprogramm. Bevor man also nachdenkt, wie man gentechnisch „veredelte“ oder „manipulierte“ Nahrungsmittel einsetzen soll, wäre eine ehrliche Debatte über die Verwendung und die Verschwendung der Nahrungsmittel mehr als angebracht.
Gentechnik, das hat uns die Wissenschaft inzwischen breit dargelegt, ist nicht per se böse oder schlecht, ganz im Gegenteil: wenn chinesische Forscher neue Reissorten produzieren, die auch in Salzbrackwasser gedeihen, wenn Getreide dürreresistenter gemacht werden kann, hilft das der Menschheit.
Aber solche neuen Sorten werden ja nicht hobbymäßig im Stall von der Bäuerin entwickelt, sondern hier geht es um eine Milliarden-Industrie, die nur wenige Konzerne stemmen können, und die für ihre Investitionen auch entsprechende Renditen erwarten. Damit einher gehen ethisch fragliche Patente auf Lebewesen und deren genetisches Material, die längst einschnürende Monopolisierung der Landwirtschaft und nicht zuletzt die Frage über mögliche negative Auswirkungen auf die Umwelt und die Biodiversität. Wir zerstören ohnehin gerade die Mikroorganismen in unseren Äckern, wird das nicht gebremst (es sieht nicht danach aus) steuern wir schnurstracks auf die nächste Katastrophe zu.
Bernhard Gaul ist Politik-Redakteur.
Kommentare