Bündnis mit Rechtsaußen im EU-Parlament: Grüne Gesetze werden gestutzt
Zusammenfassung
- Die EVP im EU-Parlament hat sich mit Rechtsaußen-Fraktionen verbündet, um den Abbau von EU-Regeln und Bürokratie voranzutreiben.
- Zwei zentrale Gesetzespakete – Lieferkettengesetz und Nachhaltigkeitsberichterstattung – werden deutlich abgeschwächt, insbesondere beim Schutz von Umwelt und Menschenrechten.
- Das Bündnis bricht mit dem bisherigen Konsens der politischen Mitte und könnte eine Trendwende im EU-Parlament einleiten.
Es ist ein politisch waghalsiges Manöver, mit möglichen Langzeitfolgen, nicht nur für das EU-Parlament. Der Abbau von EU-Vorschriften und Bürokratie ist erklärtes Ziel, nicht nur von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, sondern auch von ihren Christdemokraten der EVP im EU-Parlament. Dort aber ist dieses EU-politische Großprojekt zuletzt stecken geblieben. Sozialdemokraten und Grüne fürchteten einen Kahlschlag bei Schutz von Umwelt und Menschenrechten
Freude auch bei der FPÖ
Um die politische Blockade im Parlament zu überwinden hat sich die EVP jetzt die Unterstützung nicht nur der Rechtskonservativen ECR-Fraktion geholt, sondern auch die der Rechtsaußen-Fraktion PFE, zu der auch die FPÖ gehört. Damit ist das Zurechtstutzen von zwei Gesetzespaketen auf Schiene - und es sind nicht irgendwelche Gesetzespakete, sondern zwei Prestige-Projekt aus der vorherigen Amtsperiode von Ursula von der Leyen: Das Lieferkettengesetz und die Regeln für Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Das Lieferkettengesetz verpflichtet Firmen, darauf zu achten, dass ihre Zulieferer etwa keine Kinder- oder Zwangsarbeit einsetzen, oder geschützte Wälder abholzen. Dieses Gesetz soll in Zukunft nur für die allergrößten Unternehmen gelten - in ganz Europa lediglich ein paar Dutzend - außerdem müssen nur noch die direkten Lieferanten überprüft werden. Klagemöglichkeiten für Opfer, also etwa Kinder, die in irgendeiner Textilfabrik im globalen Süden T-Shirts für Europa nähen, werden stark eingeschränkt. Die Berichte über nachhaltiges, also umweltfreundliches Wirtschaften, werden ohnehin auf ein absolutes Minimum reduziert.
Von "Verrat an Kindern und Umwelt" bis "Erleichterung für Firmen"
So "ideologisch aufgeheizt" (ein Verhandler) und verbissen die Verhandlungen über die zwei Gesetzespakete im EU-Parlament verlaufen waren, so widersprüchlich sind die Kommentare nach der Abstimmung. Vertreter der Christdemokraten, wie Angelika Niebler, Wirtschaftssprecherin der deutschen CDU, sprechen von "einem guten Signal für unsere Unternehmen, die können sich auf ihr Geschäft konzentrieren". Roman Haider. EU-Abgeordneter der FPÖ macht klar, dass man das "bürokratische Monstrum Lieferkettengesetz" am liebsten ganz begraben würde, aber dass man durch das Bündnis mit der EVP die Unternehmen trotzdem vor einer "Bürokratielawine gerettet" habe. Die Grüne Abgeordnete Lena Schilling zeigt sich dagegen entsetzt: "Der ÖVP sind Kinderarbeit und Umweltverschmutzung egal - geblendet von ihrem Hass auf den Green Deal, paktieren sie sogar mit den extrem Rechten."
Die Führung der EVP hatte seit Wochen klar gemacht, dass man das Projekt Bürokratie-Abbau vorantreiben werde, notfalls auch mit den Stimmen von Rechtsaußen. Damit aber hat man einen über Jahre geltenden Grundkonsens im EU-Parlament erstmals wirklich außer Kraft gesetzt: Die Mehrheit in der politischen Mitte zu suchen, also bei Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen. Die EVP spielt die Entscheidung als Einzelfall herunter, die Sozialdemokraten aber sehen darin eine gefährliche Trendwende. Damit habe die EVP "die Brandmauer" niedergerissen, meint der Fraktionschef der SPD Rene Repasi in Anspielung auf die in Deutschland bisher undenkbare Zusammenarbeit mit der rechtsextremen AfD. Auch von den Christdemokraten in Berlin - sie regieren mit den Sozialdemokraten - waren Warnungen an die eigenen Parteikollegen der EVP in Brüssel geschickt worden, das politische Bündnis in der Mitte aufzukündigen sei heikel.
Damit sei die politische Mitte im EU-Parlament zerbrochen, konstruktive Arbeit für Europa werde so sehr schwer werden. Diese Arbeit aber soll im Eiltempo vorangebracht werden. Ein gutes Dutzend weitere Pakete zum Abbau von Regeln und Vorschriften - im EU-.Jargon Omnibus-Pakete genannt - soll so rasch wie möglich durchs EU-Parlament. Die Rechtsaußen-Fraktionen wollen die meisten der betroffenen Gesetze - es geht dabei viel um Umwelt- und Klimaschutz - so vollständig wie möglich aus dem Weg schaffen.
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