EU einigt sich auf extrem strenges Klimagesetz für 2040

European Parliament plenary session in Brussels
Minus 90 Prozent Treibhausgase. In 15 Jahren müssten alle fossilen Energien (Diesel, Benzin, Öl und Gas) verschwinden

Zusammenfassung

  • EU einigt sich auf Klimagesetz 2040: Treibhausgas-Emissionen sollen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 sinken, fossile Energien weitgehend verschwinden.
  • CO2-Preis für Heizen und Tanken wird auf 2028 verschoben, Klimazertifikate aus dem Ausland können bis zu fünf Prozentpunkte zur Zielerreichung beitragen.
  • EU-Kommission überprüft alle zwei Jahre den Fortschritt, Zielanpassungen möglich, Österreich drohen wegen Zielverfehlung Strafzahlungen.

Am Ende ging es überraschend schnell: Dienstagabend einigten sich Vertreter der EU-Kommission, des dänischen EU-Ratsvorsitzes und des EU-Parlaments auf das EU-Klimagesetz 2040.

Dieses Gesetz wird die Europäische Union nachhaltig verändern wie kein anderes Gesetz zuvor. Schließlich haben in der EU fossile Energieträger wie Benzin, Diesel, Heizöl, Erdgas und Kohle noch immer einen Anteil am Energiemix von rund zwei Dritteln. Und diese zwei Drittel müssten bis 2040 mehr oder minder verschwinden.

Treibhausgasausstoß bis 2040 um 90 Prozent senken

Denn das Klimagesetz sagt, dass die Treibhausgas-Emissionen in der EU bis zum Jahr 2040 um neunzig Prozent sinken müssen, immer im Vergleich zu 1990. Der Kompromiss räumt den 27 Staaten aber einigen Spielraum ein. Ein CO2-Preis für Heizen und Tanken soll verschoben werden. Ab 2050 soll nur noch so viel ausgestoßen werden, wie Natur und technische Methoden speichern können.

Was nahezu unmöglich klingt, ist es auch. Das wird offensichtlich beim Blick auf die Sektoren: Die Pkw- und Lkw-Flotte in der EU ist nach wie vor überwiegend fossil unterwegs, die Stromerzeugung basiert in vielen Staaten noch auf Kohle-, Öl- oder Gaskraftwerken, auch das Warmwasser in der EU und damit die Heizungen wird überwiegend von fossilen Energieträgern erzeugt, viele Industriebetriebe benötigen zum Betrieb die Hitze aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe, zudem erzeugt die europäische Landwirtschaft noch immer viele Treibhausgase, etwa durch die Wiederkäuer.

Das Gesetz wird zufolge haben, dass manche Wirtschafts- und Industriezweige aus Europa verschwinden. Für einige wird man einen Ersatzstoff finden müssen, etwa für die Stahlindustrie. Und am schwierigsten sind sicher Lösungen für die "hard to abate"-Industrien, also jene, die auch ohne fossile Energieträger massiv viele Treibhausgase erzeugen, etwa die Zementindustrie oder die Feuerfestindustrien.

Mit dem Klimagesetz 2040 müssen und wollen die Europäer der Welt zeigen, dass Wirtschaftswachstum und strenger Klimaschutz miteinander vereinbar sind. Es ist spannend zu sehen, dass zumindest in Österreich kein Politiker ostentativ auf das Klimagesetz verweist – in Zeiten einer Rezession und klammer Kassen wird ungern über den Klimaschutz gesprochen, der enorme Kosten verursachen wird. Ziel ist nun eine nahezu vollständige Umstellung auf nachhaltige Energieträger, mit der Ausnahme von Wasserstoff-Importen.

Vorschlag der Kommission deutlich abgeschwächt

Der nun erzielten Einigung mit dem Europaparlament waren lange Debatten unter den EU-Ländern vorangegangen. Grundlage für das 2040er-Ziel war ein im Juli präsentierter Vorschlag der Europäischen Kommission, der nun deutlich abgeschwächt wurde. Mit Blick auf wirtschaftliche Belastungen, ein angespanntes geopolitisches Umfeld und Probleme der Industrie hatte sich in einigen EU-Staaten Widerstand geregt - etwa gegen die Reduzierung um 90 Prozent, die teils als zu hoch kritisiert wurde.

EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra sagte nun, die Einigung sei pragmatisch und ambitioniert, liefere Tempo, Vorhersehbarkeit und Flexibilität. "Vor allem zeigt sie, dass Klima, Wettbewerbsfähigkeit und Unabhängigkeit Hand in Hand gehen, und sendet ein starkes Signal an unsere globalen Partner", so der Niederländer.

Preisexplosion beim Heizen soll verhindert werden

Die Unterhändler der Mitgliedstaaten und des Europaparlaments einigten sich nun zudem darauf, Brennstoffe wie Benzin und Erdgas erst ab 2028 und damit ein Jahr später als geplant in das Handelssystem mit Treibhausgas-Zertifikaten einzubeziehen. Damit sollen große Preissprünge für Verbraucher beim Tanken und Heizen vorerst vermieden werden.

Beim Emissionshandel müssen Unternehmen Rechte zum Ausstoß von Treibhausgasen nachweisen. Eigentlich sollten schon ab 2027 auch Brennstoffe einbezogen werden, was besonders den Verkehrs- und Gebäudebereich betrifft. Treibhausgase sind Gase in der Erdatmosphäre, die zum Treibhauseffekt beitragen und damit eine wichtige Rolle beim Klimawandel spielen. Zu den klimarelevanten Treibhausgasen zählen beispielsweise Kohlendioxid (CO2), Methan und Lachgas.

Ziel soll regelmäßig überprüft werden

Darüber hinaus wurde nun beschlossen, dass die EU-Kommission alle zwei Jahre überprüfen soll, ob die EU sich in die richtige Richtung bewegt - und ob das 2040er-Ziel mit Europas Wettbewerbsfähigkeit und wissenschaftlichen Erkenntnissen vereinbar ist. Wenn nötig, soll die Kommission auch neue Gesetzesvorschläge machen können. Sollten Kohlenstoffsenken wie Wälder oder Moore weniger zur Senkung der Emissionen beitragen als angenommen, soll das Reduktionsziel verringert werden können.

Klimaschutz im Ausland anrechnen

Während die Staatengemeinschaft die bestehenden Klimaziele auf eigenem Boden erreichen muss, können für das neue Zwischenziel bis zu fünf Prozentpunkte ab 2036 durch Klimazertifikate aus dem Ausland erzielt werden. Die Details dafür müssen allerdings noch geklärt werden.

Mit Klimazertifikaten aus Nicht-EU-Ländern sollen Treibhausgasemissionen, die in der EU entstehen, verrechnet werden können: So soll es möglich sein, Emissionsgutschriften für Projekte der Kohlenstoffspeicherung oder -entnahme aus der Atmosphäre zu kaufen und den inländischen Reduktionen zuzuschlagen.

Bei der Nutzung von Auslandszertifikaten zur Kompensation befürchten Kritiker, dass wirtschaftlich weniger leistungsstarke Staaten im Globalen Süden ihre nationalen Klimaziele bewusst niedriger ansetzen, um sich Aufstockungen von den Europäern bezahlen zu lassen - oder dass Minderungen doppelt angerechnet werden könnten.

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