"EU dramatisiert Arbeitslosen-Zahlen"

epa03693263 Several thousand people protest in Barcelona, northeastern Spain, 09 May 2013. Students, teachers and parents from all educative levels were called jointly to join a public education general strike against budget's cuts and against the education reform called 'Constitutional Law for the improvement of Education Quality' planned by Spanish Minister Jose Ignacio Wert. EPA/ALEJANDRO GARCIA
Instrumentalisierung: Wirtschaftsforscher sehen kaum halb so viele arbeitslose Jugendliche.

Die EU-Politik und überwiegend ihre Sozialdemokraten prangern die Jugendarbeitslosigkeit in südlichen Euro-Ländern an. Laut Eurostat zählt Griechenland 62 Prozent, Spanien 56, Portugal 47 und Italien 41 Prozent arbeitslose Jugendliche – nach deren Angaben. Die relativieren deutsche Wirtschaftsforscher wie etwa der Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln, Michael Hüther. Er sieht im KURIER-Gespräch Grund zu Hoffnung – und sparsamem Steuergeld-Einsatz. Hüther zu:

Steht jeder zweite Jugendliche auf der Straße? Nein. Denn man kann nur zählen, wer dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, und das tut das Drittel nicht, das in Ausbildung ist oder studiert. 2011 waren in Spanien 890.000 der 4,7 Millionen 15- bis 24-Jährigen arbeitslos gemeldet, also „nur“ 19 Prozent. Heute sind es 21 %. Auch in Österreich und Deutschland arbeiten 40 Prozent der Jugendlichen nicht, gelten aber trotzdem nicht als arbeitslos.

Eine „verlorene Generation“? Nein. Das wäre sie nur, wenn sie nie mehr eine Chance bekäme. Das ist aber sehr unwahrscheinlich: In Spanien waren schon vor der Euro-Einführung 1988 offiziell 41 Prozent der Jugendlichen ohne Arbeit, sieben Jahre später waren sie im Arbeitsmarkt integriert. Der Slogan von der „verlorenen Generation“ schadet nur, denn er nimmt ihr auch noch die Hoffnung.

Dramatisierung als Mittel zum Lockermachen von Steuergeld aus dem Norden? Die Konsequenz der Emotionalisierung und Instrumentalisierung durch die Politik – es muss mehr Geld her – ist wenig begründet: An dem hat es nie gemangelt. Noch mehr Geld ist nur für das Ankurbeln neuer Geschäftsmodelle sinnvoll, die durch die Kreditklemme der Banken in den Südländern gebremst werden. Da können die nun zusätzlichen sechs Milliarden Euro der EU hilfreich sein.

Das Problem der Länder ist, dass sie ihr Geschäftsmodell umstellen müssen auf mehr Wettbewerbsfähigkeit: Reformen am Arbeitsmarkt und im Bildungssystem sind von der Politik nun gefordert.

Auch beim Bildungssystem? Auch das muss dem Strukturwandel gerechter werden. In den Südländern fehlt die duale Ausbildung, also die Kombination aus Lehre und Berufsschule. Modellversuche mit deutscher Hilfe in Spanien haben nicht funktioniert, weil die Wirtschaft keine Lehrstellen schaffen wollte.

Auch die Schulen müssen praxisbezogener ausbilden. Mehr Maturanten als in Deutschland helfen nicht, wenn sie nicht gut und praxisbezogen gelernt haben.

Wie rasch kann die Jugendarbeitslosigkeit gesenkt werden?

Spanien hat gerade den höchsten Exportzuwachs seit langem, das könnte eine Trendwende sein. Das schafft auch neue Chancen für Jugendliche – und Hoffnung.

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