EU: Aufschieben als vorläufiger Brexit-Ausweg

Tusk und Juncker wandten sich per Brief noch einmal an London
Die Europäische Union rechnet mit der Möglichkeit, dass London das Austrittsdatum verschiebt. Gelöst ist damit nichts.

Überraschungen und Kehrtwendungen sind immer möglich – so viel haben die Brexit-Verhandler der EU nach fast zweijährigen Gesprächen mit London gelernt. Deshalb war in Brüssel am Montag auch allenthalben die Vermutung zu hören, dass Großbritannien seinen Austritt verschieben könnte. Und das, obwohl die britische Premierministerin May beteuerte: „Wir treten am 29. März aus.“

Ein letztes Mal vor der entscheidenden Abstimmung des britischen Parlaments am Dienstagabend versuchten EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk, die Briten zu überzeugen: In einem gemeinsamen Brief an London bezeichneten sie den mit May ausverhandelten Scheidungsvertrag als „fair“. Und sie versicherten auch: Die Notfalllösung („Backstop“), die eine harte Grenze zu Nordirland vermeiden soll, werde idealerweise nie in Kraft treten. Und wenn doch, dann nur, bis eine bessere Lösung gefunden sei. Ein konkretes Enddatum für den Backstop, wie es sich London wünscht, ist im Brief nicht zu finden.

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Zeitfenster bis Ende Juni

Dass dieser Appell die skeptischen Abgeordneten in London umstimmen könnte, wollte in Brüssel gestern aber niemand glauben. Und so stellten sich hinter den Kulissen die meisten mit Brexit-Verhandlungen betrauten Diplomaten auf das Szenario einer Verlängerung ein: Um einen harten Brexit, also ungeregelt und sozusagen im freien Fall, zu vermeiden, könnte die britische Regierung die EU-27 ersuchen, das Austrittsdatum um maximal drei Monate zu verschieben. „Allerletzter Zeitpunkt, an dem das Vereinigte Königreich austreten müsste, wäre, kurz bevor das im Mai neu zu wählende EU-Parlament zu seiner ersten Sitzung zusammentritt (Ende Juni)“, heißt es aus Verhandlerkreisen gegenüber dem KURIER.

Doch fest steht auch: „Wir müssen dann wissen, warum wir überhaupt verlängern sollen.“ Anders gesagt: Zustimmung der EU-Regierungen für eine Verschiebung gäbe es nur, wenn etwa Neuwahlen oder ein Referendum angesetzt würden oder wenn man inhaltlich bei Änderungen voll übereinstimme.

 

Primosch (ORF) zur Brexit-Abstimmung

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