Erdogans Rundumschlag alarmiert die EU
Widerstand“, heißt es in einer Fotomontage der Anhänger des türkischen Premiers Tayyip Erdogan, die derzeit im Internet kursiert. Damit feuern die Fans des zunehmend autokratisch auftretenden Regierungschefs ihr Idol an, bei den Treffen mit EU-Granden in Brüssel (Montag und Dienstag) Härte zu zeigen. Das Volk stehe hinter Erdogan, suggeriert die Abbildung – in Konfrontation mit dem Westen, repräsentiert durch US-Präsident Obama, die deutsche Kanzlerin Merkel und Israels Staatsoberhaupt Peres.
Tatsächlich dürften die Gespräche des „Sultans vom Bosporus“, der erstmals seit 2009 in die EU-Zentrale reiste, eher in gedämpfter Atmosphäre ablaufen. Anlass dafür ist der Korruptionsskandal, der die Regierung in Ankara derzeit erschüttert. Und vor allem die Reaktion des Premiers darauf: Weil er eine gezielte Intrige von außen ortet und sogar von „Putschversuch“ spricht, ließ er im vergangenen Monat höchste Repräsentanten im Justiz- sowie Polizeiapparat versetzen.
Sie, die die Schmiergeldaffäre ins Rollen gebracht hatten, in die auch Ex-Minister involviert sein sollen, seien Gefolgsleute von Fetullah Gülen. Der Prediger lebt in den USA und, so Regierungssprecher, wolle Erdogan von der Macht verdrängen.
Die Säuberungswelle, der schon zwischen 2000 und 3000 Beamte zum Opfer gefallen sind, zieht indes immer weitere Kreise. Am Wochenende wurden auch drei Top-Leute der Bankenaufsicht, fünf Abteilungsleiter der Telekom-Regulierungsbehörde sowie ein Dutzend kritische Redakteure des staatlichen TV-Senders TRT gefeuert.
Internet-Restriktionen
Zudem sollen die Internet-Regulierungen verschärft werden, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits jetzt als gegen die Meinungsfreiheit gerichtet einstuft. Und eine Reform des Hohen Rates der Richter und Staatsanwälte, der für die Berufung von Gerichtsvorsitzenden und Anklägern zuständig ist, soll sicherstellen, dass regierungsfreundliche Juristen zum Zug kommen.
All das lässt in der EU die Alarmglocken läuten. Manche fordern sogar eine vorläufige Einstellung der Beitrittsgespräche mit Ankara. Viel Vertrauen wurde jedenfalls zerstört, das zuvor mühsam aufgebaut worden war und im Vorjahr in einem Abkommen über die Flüchtlingspolitik, in der Übereinkunft, Gespräche über eine Erleichterung in Visa-Fragen für Türken zu beginnen, und in der Eröffnung eines neuen Verhandlungskapitel mündete.
Kommentare