Erdogan missbraucht Ausland als Bühne
Das Hochamt in Wien zu Ehren des türkischen Premiers ist vorbei. Gott sei Dank. Es war kontraproduktiv, unnötig und verwerflich gleichermaßen – auch wenn Tayyip Erdogan sanfte Töne anschlug.
Kontraproduktiv, weil ausländerfeindliche Ressentiments geschürt und die Gräben innerhalb der türkischen Gemeinschaft hierzulande größer statt kleiner wurden. Das hat vor allem mit der Person des Hauptakteurs zu tun, der seit Jahren eine Politik der Polarisierung betreibt. Mit der fährt er im Hinblick auf Stimmenmaximierung zwar nicht schlecht, leider, für das soziale Gefüge ist diese Strategie aber Gift.
Die Rede, die viele im Zusammenhang mit den Präsidentenwahlen im August sehen, war unnötig. Denn auf die paar tausend Stimmen aus Österreich ist der Noch-Premier wirklich nicht angewiesen. Wenn doch, könnte er einem fast leid tun.
Letztlich war der Auftritt verwerflich. Denn in Wahrheit ging es Erdogan um eine pure Machtdemonstration. Von vielen demokratischen Staaten zunehmend und zu Recht wegen seines autoritären Führungsstils kritisiert, präsentierte er sich im Herzen Europas als oberster Hüter der Türken und des Türkentums, gleichsam als über den Dingen stehender Hegemonialherr. Das ist er aber nicht. Er ist ein gewählter Premier, nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Dass der charismatische Politiker immer stärker die Bodenhaftung verliert, beschädigt seine unbestreitbaren Erfolge für die Modernisierung seiner Heimat. Wenn er sein Lebenswerk zerstören will, ist das seine Sache bzw. die der Türken, die freilich darunter leiden – denn während Erdogan in Wien sagen konnte, was er wollte, sitzen im Land am Bosporus Dutzende Journalisten im Gefängnis. Wenn er aber das Ausland als Bühne für sein Großmachtgehabe missbraucht, geht das zu weit.
Kommentare