Erdoğan hat den "Eindruck", dass Putin Krieg beenden will

Erdoğan hat den "Eindruck", dass Putin Krieg beenden will
Am Rande der UN-Tagung ließ Erdoğan aufhorchen. In Russland und der Ukraine deutet hingegen wenig auf ein Ende des Krieges hin.

Noch ehe die Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York, in der es auch um den Konflikt um die Ukraine geht, so richtig Fahrt aufgenommen hat, sorgte der türkische Präsident in einem TV-Interview für einigermaßen Aufsehen: In seinen letzten Gesprächen mit Kremlchef Wladimir Putin habe er den "Eindruck" gewonnen, dass dieser den Krieg so schnell wir möglich beenden will, sagte Recep Tayyip Erdoğan dem US-Sender PBS. Der türkische Staatschef fügte anschließend hinzu: Die jüngsten Entwicklungen seien "sehr problematisch" für Moskau. Er spielte damit wohl auf die Gebietsverluste der russischen Streitkräfte im Süden der Ukraine bei Cherson an.

Wenn man allerdings die puren Fakten als Maßstab heranzieht, die Putin gerade schafft, ergibt sich ein völlig anderer Eindruck – nämlich der der Vorbereitungen auf eine Ausweitung beziehungsweise Intensivierung des Waffenganges.

So forderte der Kremlchef eine deutliche Steigerung der nationalen Rüstungsproduktion. Zwar hätte sich das russische Kriegsgerät dem westlich als ebenbürtig erwiesen, allerdings "müssen wir qualitativ unsere Möglichkeiten stärken".

Kommt das Kriegsrecht?

Zugleich verschärfte das Parlament in Moskau in einem Eilverfahren das Strafgesetz im Kriegsfall. Da dies eine Zeit sei, die besonders anfällig für Verbrechen sei, wurde das Strafausmaß für ein freiwilliges Eintreten in Kriegsgefangenschaft und Plünderungen drastisch erhöht. Beobachter werten diesen Schritt als mögliche Vorbereitung für die Ausrufung des Kriegszustandes und einer allgemeinen Mobilisierung.

Und auch die jüngsten Vorgänge in den von russischen Separatisten kontrollierten ukrainischen Oblasten Donezk und Lugansk weisen in diese Richtung. Dort sowie in den Regionen Cherson bzw. Saporischschja, wo das größte AKW Europas steht, soll ab dieser Woche über einen Beitritt der Gebiete zur Russischen Föderation abgestimmt werden. Das teilten die regierenden Separatisten in den drei Gebieten am Dienstag mit.

Anschluss-Referenden

Die Referenden, die weder von der Ukraine noch von der internationalen Gemeinschaft anerkannt werden, sollen demnach vom 23. bis 27. September abgehalten werden. Sie gelten als Reaktion auf die erfolgreiche ukrainische Gegenoffensive der vergangenen Wochen, in deren Verlauf die Separatisten wiederholt eine Entscheidung über einen Anschluss an Russland gefordert hatten.

Zuletzt hatte sich auch der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew für Beitrittsreferenden stark gemacht, um die besetzten Gebiete an Russland anzugliedern. Ein Anschluss würde "die geopolitische Transformation in der Welt" unumkehrbar machen und es Russland ermöglichen, "alle Mittel des Selbstschutzes" anzuwenden, schrieb er auf seinem Telegram-Kanal. Offensiven der Ukraine würden dann als Angriffe auf russisches Territorium gewertet werden – was russischen Kommentatoren zufolge sogar den Einsatz von Atomwaffen einschließen könnte.

Kiew verglich die angepeilten Volksabstimmungen mit dem Schein-Referendum im Zuge des "Anschlusses" Österreichs an Nazi-Deutschland 1938.

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