Erdogan suspendiert 8.000 Polizisten - Ex-Luftwaffenchef soll Putschisten-Anführer gewesen sein

Türkischer Polizist: Erdogan drängt Regimekritiker aus Staatsapparat.
Türkische Regierung verdächtigt sie, in Putschversuch involviert gewesen zu sein. Größte Oppositionspartei fordert, "Rechtsstaat zu respektieren".

Präsident Recep Tayyip Erdogan greift mit eiserner Hand durch. Die türkische Regierung hat rund 8.000 Polizeibeamte im gesamten Land suspendiert. Sie werden verdächtigt, in den gescheiterten Putschversuch von Freitagnacht involviert gewesen zu sein, wie ein ranghoher Sicherheitsbeamter der Nachrichtenagentur Reuters am Montag mitteilte.

Ex-Luftwaffenchef und 100 Generäle festgenommen

Erdogan suspendiert 8.000 Polizisten - Ex-Luftwaffenchef soll Putschisten-Anführer gewesen sein
(FILES) This file photo taken on October 14, 2014 shows Turkish Chief of General Staff Operations Department Erdal Ozturk listening while to the US president make a statement for the press after a meeting at Andrews Air Force Base in Maryland. Turkey detained general Erdal Ozturk, commander of the Third Army, on July 16, 2016, after a bloody coup attempt aiming to oust the government. Turkish authorities wrested back control of the country on July 16, after crushing a military coup by discontented soldiers seeking to seize power from President Recep Tayyip Erdogan that claimed more than 250 lives. / AFP PHOTO / BRENDAN SMIALOWSKI
Anführer der Putschisten soll Ex-Luftwaffenchef Akin Öztürk gewesen sein. Öztürk sei "der formale Anführer der Junta" gewesen, hieß es am Montag aus Regierungskreisen in Ankara. Der General gehörte bisher dem Obersten Militärrat an. Neben Öztürk wurden nach Angaben mehr als 100 weitere Generäle aus den Streitkräften festgenommen.("Kampfjets sollen Erdogan verfolgt haben")

Unterdessen suchten Sicherheitskräfte weiter nach Soldaten, die am Putschversuch beteiligt waren. Einige hochrangige Armeeangehörige sollen inzwischen ins Ausland geflohen sein.

Nicht nur Gegenspieler Gülen im Visier von Erdogan

Insgesamt wurden bis Sonntagabend 6.000 Personen unter Putschverdacht festgenommen, darunter auch ein Berater von Staatspräsident Erdogan, Oberst Ali Yizici, sowie ein Berater des Expräsidenten Abdullah Gül. Präsident Recep Tayyip Erdogan macht seinen Erzrivalen, den in den USA lebenden Fethullah Gülen und dessen Anhänger, für den Putschversuch verantwortlich. Von den Vereinigten Staaten forderte er bereits die Auslieferung Gülens. (Siehe Artikel "Würde mich ausliefern lassen").

Kerry: "Ankara muss Beweise vorlegen"

Bisher sei kein Antrag der Türkei an die USA zur Auslieferung von Fethullah Gülen eingetroffen, erklärte der amerikanische Außenminister John Kerry Montag beim EU-Außenrat in Brüssel. Er fordere Ankara auf, Beweise vorzulegen, "nicht nur Behauptungen".

Diese Beweise müssten "echte Belege sein, die den Prüfnormen standhalten müssen, die es in vielen Ländern gibt". Er habe kein Interesse, der ordnungsgemäßen Erfüllung des Auslieferungsantrags im Weg zu stehen. "Aber bisher hat es noch keinen offiziellen Antrag gegeben und keine entsprechenden Beweise", so Kerry.

Die NATO werde "ganz genau darauf achten, was passiert", sagte Kerry zur Lage in der Türkei nach dem gescheiterten Militärputsch. Es seien "sehr viele Menschen sehr schnell verhaftet worden. Es ist klar, dass wir in den kommenden Tagen die Situation aufmerksam verfolgen". Er habe drei Mal mit dem türkischen Außenminister gesprochen, dieser habe "die Absicht, die demokratischen Prozesse und die Rechtsstaatlichkeit einzuhalten."

Wird Todesstrafe wieder eingeführt?

Erdogan suspendiert 8.000 Polizisten - Ex-Luftwaffenchef soll Putschisten-Anführer gewesen sein
Turkish Prime Minister Binali Yildirim (L) and others carry the coffin with a victim of the thwarted coup to a funeral service in Ankara, Turkey, July 17, 2016. REUTERS/Osman Orsal TPX IMAGES OF THE DAY
Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim(Bild)hat die Niederschlagung des Militärputschs als "Feiertag der Demokratie" bezeichnet. In einer Rede vor Demonstranten in der Hauptstadt Ankara sagte Yildirim in der Nacht auf Montag, dass "nach dem 15. Juli nichts mehr wie früher" sein werde. "Lasst uns diesen Feiertag auskosten", rief Yildirim vor der Menschenmenge auf dem zentralen Kizilay-Platz. Zudem deutete der Regierungschef erneut an, dass die Todesstrafe in der Türkei wiedereingeführt werden könnte. Lautstarke Forderungen der Menge nach der Todesstrafe beantwortete er mit: "Wir haben eure Botschaft erhalten." Die Putschisten würden "in strengster Weise zur Rechenschaft gezogen".

Opposition: Gesetze einhalten

Die größte türkische Oppositionspartei CHP hat die Regierung aufgefordert, den Rechtsstaat zu respektieren. Der Umgang mit den Putschisten und ihren Hintermännern müsse im Einklang mit den Gesetzen stehen. Außerdem dürfe das Militär nicht als Feind dargestellt werden, teilte die säkuläre Mitte-links-Partei am Montag in einer Aussendung mit.

Kurz: "Einführung der Todesstrafe wäre inakzeptabel"

Fünf Gründe, warum die Putschisten keine Chance hatten

Verteidigungsminister: "Gefahr nicht vorbei"

Der türkische Verteidigungsminister Fikri Isik hat dazu aufgerufen, weiter gegen die Putschisten und den gescheiterten Umsturz zu demonstrieren. "Der Putsch wurde verhindert, doch wir können nicht sagen, dass die Gefahr vorbei ist", so Isik in der Nacht auf Montag vor einer Menschenmenge, die sich vor dem Wohnsitz von Präsident Recep Tayyip Erdogan im Istanbuler Stadtteil Üsküdar versammelt hatte. Isik forderte die Menschen nach Angaben des Nachrichtensenders NTV auf, "jede Äußerung unseres Präsidenten aufmerksam zu verfolgen und solange draußen zu bleiben, bis er sagt: Es reicht, ihr könnt wieder nach Hause gehen."

Pro-Erdogan-Demos

Erdogan suspendiert 8.000 Polizisten - Ex-Luftwaffenchef soll Putschisten-Anführer gewesen sein
Pro-Erdogan supporters gather on Taksim square in Istanbul on July 17, 2016, during a demonstration in support to the Turkish government following a failed coup attempt. Turkish authorities pressed on July 17 with a ruthless crackdown against suspects in the failed coup against President Recep Tayyip Erdogan, with 6,000 people detained as he vowed to stamp out the "virus" of the putschists. Erdogan also said Turkey could consider reinstating the death penalty following the putsch bid, despite concerns in the international community. / AFP PHOTO / HALIT ONUR SANDAL
Insgesamt waren am Sonntag zehntausende Menschen in türkischen Großstädten auf die Straßen gegangen und hatten die ganze Nacht hindurch gegen die Putschisten demonstriert. Sie waren damit wiederholten Aufforderungen Erdogans gefolgt, der zuletzt am Sonntagabend auf Twitter geschrieben hatte: "Aufhören gilt nicht, Weggehen gilt nicht. Wir lassen die Plätze nicht leer."

Wie Aufnahmen des Senders "A Haber" zeigten, waren auch nach Sonnenaufgang am frühen Montagmorgen noch zahlreiche Demonstranten mit türkischen Fahnen auf den Straßen Istanbuls unterwegs.

Polizei durchsucht Luftwaffenstützpunkt Incirlik

Nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei haben Polizei und Staatsanwaltschaft am Montag den NATO-Luftwaffenstützpunkt Incirlik im Süden des Landes durchsucht. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, waren an den Durchsuchungen zwei leitende Staatsanwälte beteiligt. Der Stützpunkt Incirlik war am Samstag im Zusammenhang mit dem Umsturzversuch geschlossen worden. Die türkischen Behörden hatten nach dem gescheiterten Putsch einen General und ein dutzend Verdächtige in Incirlik festgenommen, die die Umstürzler unterstützt haben sollen. Auf der Basis Incirlik, unweit der syrischen Grenze, sind rund 240 Soldaten sowie Aufklärungstornados und ein Tankflugzeug der deutschen Bundeswehr stationiert. Die US-Armee hat auf dem Stützpunkt etwa 1500 Soldaten und mehrere Dutzend Kampfflugzeuge und Drohnen. Neben türkischen und britischen Kampfjets gibt es dort außerdem saudi-arabische F-16-Kampfflugzeuge.

Kommentare