Erdoğan buhlt in Berlin um Kampfjets

Turkish President Recep Tayyip Erdogan visits Berlin
Scholz hingegen betont beim Besuch des türkischen Präsidenten Israels Selbstverteidigungsrecht.

Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz hat beim Deutschland-Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan das Selbstverteidigungsrecht Israels betont. "Das Existenzrecht Israels ist für uns unumstößlich", sagte Scholz Freitagabend vor seinem Treffen mit Erdogan vor Journalisten. Israel habe "das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich zu verteidigen". An Erdoğan gerichtet sagte Scholz, es sei "kein Geheimnis", dass "wir zu dem aktuellen Konflikt unterschiedliche zum Teil sehr unterschiedliche Sichtweisen haben".

Erdoğan und er teilten aber die "Sorge vor einem Flächenbrand im Nahen Osten", sagte Scholz bei der Pressekonferenz, die vor einem Gespräch und einem Abendessen der beiden Politiker stattfand. "Jedes Leben ist gleich viel Wert", fügte er an. Auch das "Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung" bedrücke die Bundesregierung. In dem Gespräch mit Erdogan solle es darum gehen, wie eine "weitere Eskalation in der Region" verhindert werden könne.

Erdoğan prangerte seinerseits im deutschen Bundeskanzleramt Israels Vorgehen im Gazastreifen an. Dort sei "alles dem Erdboden gleich gemacht worden". Zwar spreche derzeit "jeder" von der Hamas, aber die militärische Macht der radikalislamischen Palästinenserorganisation sei nicht vergleichbar mit jener Israels. Für eine Lösung des Konflikts im Nahen Osten erscheine eine "Zweistaatenlösung in den Grenzen von 1967" nötig.

Bundeskanzler Olaf Scholz und der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan bei einer gemeinsamen Pressekonferenz vor Gesprächen im Kanzleramt in Berlin am 17. November 2023.

Bundeskanzler Olaf Scholz und der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan bei einer gemeinsamen Pressekonferenz vor Gesprächen im Kanzleramt in Berlin am 17. November 2023. 

Zuvor war Erdoğan von Deutschlands Bundespräsident Frank Walter Steinmeier empfangen worden. Steinmeier machte nach Angaben des Bundespräsidialamts gegenüber dem türkischen Staatschef die "deutsche Position mit Nachdruck deutlich". Eine Sprecherin erklärte dazu im Online-Dienst X, Steinmeier habe "die Einstufung des Überfalls der Hamas auf Israel als Terrorangriff und der Hamas als Terrororganisation unterstrichen". Außerdem habe er "das Existenzrecht Israels sowie sein Recht auf Selbstverteidigung herausgehoben".

Erdoğan erklärte seinerseits nach Angaben des türkischen Präsidialamts gegenüber Steinmeier, die "Angriffe Israels in palästinensischen Gebieten" müssten beendet werden. Eine Reaktion der "gesamten Welt" auf die "Menschenrechtsverletzungen" sei wichtig, sagte der türkische Staatschef weiter.

Türkei will 40 Kampfjets

Erdoğan drängt bei seinem Besuch auf ein deutsches Ja zum türkischen Kauf von Eurofighter-Jets. Ankaras Interesse an 40 Kampfflugzeugen sei der Regierung bekannt, hieß es in Berlin. 

Am Freitag Nachmittag traf der türkische Präsident im Schloss Bellevue den deutschen Bundespräsidenten . Mit Kanzler Scholz ist ein Abendessen geplant.

Ob das türkische Interesse an den Kampfflugzeugen auch bei dem für den Abend geplanten Essen mit Scholz auf den Tisch kommen sollte, war zunächst unklar. Der türkische Verteidigungsminister Yasar Güler hatte am Donnerstag gesagt, man beabsichtige 40 der Kampfflugzeuge zu kaufen und habe bereits die Zustimmung von Großbritannien und Spanien. "Jetzt arbeiten sie daran, Deutschland zu überzeugen", zitierte ihn die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu.

Der türkische Präsident Erdoğan und sein deutsches Pendant Steinmeier im Schloss Bellevue in Berlin, 17. November 2023.

Der türkische Präsident Erdoğan und sein deutsches Pendant Steinmeier im Schloss Bellevue in Berlin, 17. November 2023.

Deutschland ist an der Produktion der Eurofighter beteiligt. Deswegen ist eine Zustimmung der deutschen Bundesregierung bei jedem Exportgeschäft erforderlich. Die Lieferung von Eurofightern nach Saudi-Arabien hat Berlin zuletzt unterbunden. Der Kampfjet wird in Großbritannien gefertigt.

Umstrittener Zeitpunkt

Der Besuch Erdoğans ist auch wegen dessen scharfer Verbalattacken gegen Israel im Zusammenhang mit dem Gazakrieg umstritten. Erdoğan hatte die Ermordung vieler Hundert israelischer Zivilisten beim Terrorangriff am 7. Oktober zwar verurteilt, die dafür verantwortliche Hamas aber später als "Befreiungsorganisation" bezeichnet. Israel warf er dagegen einen "Genozid" im Gazastreifen vor und stellte sogar Israels Existenzrecht infrage.

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Israel versuche, "einen Staat aufzubauen, dessen Geschichte nur 75 Jahre zurückreicht und dessen Legitimität durch den eigenen Faschismus infrage gestellt wird", sagte er Ende vergangener Woche. Scholz hat die Vorwürfe Erdoğans gegen Israel als "absurd" zurückgewiesen. Gleichzeitig erklärte Erdoğan aber auch immer wieder seine Unterstützung für eine Zwei-Staaten-Lösung - ein Haltung, die er mit dem Bundeskanzler teilt.

Schwedens NATO-Beitritt am Verhandlungstisch

Die NATO-Partner dürften zudem das ausstehende Ja des türkischen Parlaments zur Aufnahme Schwedens in das Verteidigungsbündnis thematisieren. Das scheint sich früherer Zusagen Erdoğans zum Trotz weiter zu verzögern: Die zuständige Kommission im türkischen Parlament vertagte am Donnerstag ihre Entscheidung, laut türkischen Medienberichten auch auf Druck von Erdoğans Parteikollegen. Es gebe noch weiteren Klärungsbedarf, hieß es. Wann das Thema erneut auf die Tagesordnung gesetzt wird, war zunächst unklar.

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Türkische Journalisten spekulierten, Erdoğan könnte dies als Druckmittel in den Verhandlungen um die Eurofighter nutzen wollen. Der türkische Staatschef hatte zuvor versucht, sein Einverständnis zur NATO-Erweiterung an Kampfjets aus den USA zu knüpfen.

Bei dem Treffen zwischen Scholz und Erdogan - am Freitagabend ist ein Abendessen geplant - dürfte es vor dem Hintergrund der aktuellen Situation auch um den Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei gehen. Über ihn hatte sich die Türkei verpflichtet, die Schleuseraktivitäten an ihrer Grenze zu stoppen und Migranten zurückzunehmen, die illegal über die Türkei auf die griechischen Inseln kommen. Im Gegenzug erhielt Ankara von der EU Milliardenhilfen unter anderem für die Unterbringung der Flüchtlinge. Von Griechenland nimmt die Türkei jedoch seit 2020 keine Migranten mehr zurück - begründet wurde das damals mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Türken stellten zudem im Oktober die meisten Asylanträge in Deutschland.

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