Erdoğan peitscht "seine" Verfassung durch
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan kommt seinem großen Ziel immer näher. Schon kommende Woche soll im Parlament über eine grundlegende Verfassungsänderung abgestimmt werden, die die Macht des Staatschefs drastisch erweitert. Er soll ähnlich weitreichende Befugnisse erhalten wie der US-Präsident. Bisher liegen die wichtigsten Exekutiv-Befugnisse bei der Regierung.
Eine Zustimmung gilt als sehr wahrscheinlich, da die AK-Regierungspartei die Abgeordneten der nationalistischen MHP für das Projekt gewinnen konnte. Notwendig sind 60 Prozent der Stimmen. Danach kann ein Referendum angesetzt werden, das nach derzeitigem Stand im Sommer 2017 stattfinden soll.
Hundertausend Menschen entlassen oder verhaftet
Aktuell regiert Erdoğan mit Sondervollmachten, die ihm nach der Verhängung des Ausnahmezustandes nach dem Putschversuch vom 15. Juli Durchgriffsrechte einräumt. Und der Präsident nützt diese umfassend. Mehr als 100.000 Staatsdiener, Hunderte Journalisten und Politiker wurden entlassen und/oder verhaftet. Wegen dieses autoritären Stils verabschiedete das EU-Parlament in der Vorwoche eine Resolution, die das Einfrieren der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei fordert.
Erdoğan hatte das Votum scharf kritisiert. Jetzt legte er nach: Die Union, der er "sinnlose Feindschaft und Doppelmoral" vorwarf, laufe Gefahr, "der rassistischen Krankheit" zu verfallen. Sein Land sei bereit für eine Vollmitgliedschaft.
Angesichts von fünf Millionen Türken in den EU-Ländern hätten weder die EU-Institutionen noch die Mitgliedsstaaten die Macht, die Türkei auszugrenzen. "In Europa sind wir nicht Gast, sondern Gastgeber."
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