"Er war in einem unserer Irrenhäuser"

"Er war in einem unserer Irrenhäuser"
KURIER-Reporter Heinz Nußbaumer traf Gaddafi und andere nordafrikanische Herrscher der 70er und 80er Jahre.

Mein Leben", sagt er, "ist nicht wichtig. Ich glaube nicht, dass sich irgendjemand dafür interessiert." - Mit diesem Zitat Muammar Gaddafis begann KURIER-Redakteur Heinz Nußbaumer seine Reportage in der KURIER-Ausgabe vom 16. Februar 1975 über sein Treffen mit Libyens Revolutionsführer in der Wüste.

Nußbaumer war zu dem Zeitpunkt außenpolitischer Leiter des KURIER und hatte sich über den libyschen Botschafter in Wien Zugang zu Gaddafi verschafft. "Er war der skurrilste und zugleich interessanteste Gesprächspartner, den ich je hatte", erinnert sich Nußbaumer am Tag nach Gaddafis Tod im KURIER-Interview. "Seine Antworten hatten selten etwas mit der Wahrheit zu tun, aber das war ihm kaum bewusst - ein kranker Mann mit einer schweren psychischen Störung, die ihre charmanten, aber ebenso schrecklichen Seiten hatte."

Ihm gegenüber habe Gaddafi, den er auch noch 1982 und 1986 getroffen hat, stets die einnehmende Seite gezeigt, erzählt Nußbaumer: "Er hatte eine seltsame Nähe zu mir, für meine drei Söhne gab er mir Muscheln und Orangen mit." Der Botschafter Libyens in Wien hingegen, der Nußbaumer 1975 zu Gaddafi begleitete, habe später die brutale Seite zu spüren bekommen: "Er wurde das Opfer von zwei Anschlägen, die Gaddafi angeordnet hat."

In ägyptischer Klinik

Nußbaumer, der in Nordafrika und im Nahen Osten bestens vernetzt war, bekam 1984 von ägyptischer Seite die Kopie eines ärztlichen Attests zugespielt, aus dem hervorgeht, dass Gaddafi unter anderem an Schizophrenie und Borderlinesyndrom litt.

Kamal Hassan Ali, 1884 bis '85 Ägyptens Premier, sagte zu Nußbaumer: "Gaddafi ist verrückt. Er war schon kurz nach der Revolution in einem unserer Irrenhäuser - oder nennen wir es psychiatrische Klinik."

Schon bei der Wiedereröffnung des Suezkanals im Juni 1975 sei es ein offenes Geheimnis gewesen, dass Gaddafi in wiederkehrender psychiatrischer Behandlung war. Nußbaumer: "Der ägyptische Außenminister Fahmy hat damals auf mich gezeigt und gesagt: ,Das ist ein Freund Gaddafis, der weiß noch nicht, dass er es mit einem Geisteskranken zu tun hat.' Alle Umstehenden haben gelacht."

Der KURIER-Reporter erlebte Gaddafi als "schwer manisch-depressiv mit einem intensiven Medikamentenverschleiß". Hohe Amphetamin- und Cortisongaben könnten später das wirre Gehabe und das aufgedunsene Gesicht bewirkt haben.
Und wie hat Nußbaumer persönlich die Nachricht vom Tod Gaddafis empfunden? - "Sehr emotional. Weil ich all die Jahre zerrissen war zwischen einer positiven Emotionalität aus unseren Treffen und Entsetzen über das, was er getan und angeordnet hat. In diesem Zwiespalt hat mich sein Tod auf unbefriedigende Weise zurück gelassen."

Am Sonntag erzählt Heinz Nußbaumer im KURIER-Interview, wie er den gefürchteten Wüstenführer in der Rolle des kleinen Buben erlebte und warum er Gaddafi nach 1986 nicht mehr treffen wollte.

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