Frankreichs neuer Premier Attal: Macrons verjüngter Doppelgänger
Mit seiner Entscheidung, den 34-jährigen Gabriel Attal zum neuen Regierungschef zu machen, gelang Präsident Emmanuel Macron ein Überraschungscoup – baut er seinen eigenen Nachfolger auf?
09.01.24, 16:08
aus Paris Simone Weiler
Gabriel Attal sagte es Dienstagnachmittag bei der Übernahme seines neuen Amtes selbst: Der jüngste Präsident Frankreichs hat entschieden, den bisher jüngsten Premierminister ins Amt zu heben. Der 34-Jährige sprach von sich selbst und seinem Chef, Emmanuel Macron, der ihm gerade einen sagenhaften Karrieresprung ermöglicht hatte.
„Ich will darin nur ein einziges Symbol sehen, das der Kühnheit und der Bewegung“, so Attal, der bisherige Bildungsminister und neue Chef der französischen Regierung. Macron ist mit dieser Entscheidung eine Überraschung gelungen, nachdem er in den vergangenen Tagen zögerlich erschienen war. Längst hatten Gerüchte über eine Regierungsumbildung die Runde gemacht.
Schließlich reichte Ex-Premierministerin Élisabeth Borne am Montagabend ihren Rücktritt ein, der eigentlich eher einer erzwungenen Entlassung gleichkam. Dass die 62-Jährige im Amt bleiben wollte, war bekannt. Doch nach einem schwierigen Jahr 2023, geprägt vom heftigen Widerstand gegen seine Rentenreform, gewaltsamen Unruhen in vielen französischen Städten und der umstrittenen Umsetzung eines scharfen Migrationsgesetzes, setzt Macron auf einen Neuanfang – auch und vor allem personell.
Baut Macron Attal als seinen Nachfolger auf?
Am Dienstagmittag wurde offiziell bestätigt, dass Attal Borne nachfolgt. Die Verzögerung zwischen beiden Ankündigungen vermittelte den Eindruck eines bis zuletzt schwankenden Präsidenten.
Insidern zufolge hatten sich mehrere Schwergewichte aus seinem Umfeld gegen die Ernennung Attals gestemmt, in dem einige einen Konkurrenten sehen. Laut Verfassung kann Macron bei den Präsidentschaftswahlen 2027 nicht ein drittes Mal in Folge kandidieren. Viele Ehrgeizige stehen schon für seine Nachfolge bereit, von Wirtschaftsminister Bruno Le Maire bis Innenminister Gérald Darmanin. Und eben auch Gabriel Attal.
Dieser begann seine politische Karriere im Kabinett der früheren sozialistischen Gesundheitsministerin Marisol Touraine. Ein Jahr vor Macrons Wahl 2017 schloss er sich dessen Bewegung an. Er wurde Regierungssprecher, dann beigeordneter Minister für Haushaltsfragen und im Juli letzten Jahres Bildungsminister.
Dort legte Attal einen viel beachteten Start hin, indem er ein Verbot für das Tragen islamischer Übergewänder, einen harten Kampf gegen Mobbing und einen „Wissensschock“ ankündigte. Schnell stieg er zu einem der beliebtesten Politiker des Landes auf. Er spricht Anhänger des linken wie des rechten Spektrums an. Wurde er deshalb an den Schlüsselposten befördert?
Attal bietet viele Ähnlichkeiten zu Macron
Er setze auf Attals „Energie und Engagement“, betonte der Präsident am Dienstag. Macron wolle sich „an dessen Beliebtheit in den Umfragen anhängen“, spottete der Chef des rechtsextremen Rassemblement National (RN), Jordan Bardella. Der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon höhnte, Attal werde wieder zum Regierungssprecher: „Der präsidentielle Monarch regiert allein mit seinem Hof.“
Da mit Élisabeth Borne die gesamte Regierung zurücktrat, soll in den kommenden Tagen ein neues Kabinett aufgestellt werden. Allerdings zeigen sich Beobachter skeptisch, ob Macron so die aktuelle Krise überwinden kann. „Ein neuer Premierminister lässt die Menschen in Frankreich kalt“, sagte Eddy Vautrin-Dumaine vom Analyseinstitut Kantar Public. „Sie erwarten eher, dass die Regierung einen klaren Weg weist.“ Es sei weiterhin unklar, was diese konkret vorhabe.
Möglicherweise versucht Macron bereits einen Nachfolger aufzubauen, der ihm ähnelt. Er selbst wurde mit nur 39 Jahren zum Präsidenten gewählt. Beide Männer gelten als liebenswürdig im Umgang und dennoch als einzelgängerisch.
In einem langen Hintergrundartikel über „den stutzig machenden Monsieur Attal“ im Magazin „L’Express“ beschrieb diesen der Journalist Erwan Bruckert als „Kontroll-Freak“ und Einzelkämpfer. „Nichts kann ihn aufhalten und er wagt alles“, sagte Bruckert. Ein Urteil, das auch auf Macron zutreffen würde.
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