Eisenbahner sind privilegiert aber nicht unpopulär

Eisenbahner sind privilegiert aber nicht unpopulär
Meinungskampf: Die Franzosen sind angesichts des Bahnstreiks geteilter Meinung.

Ich spiele in Paris in einem Tischtennis-Verein. Einer meiner Sparringpartner, ein 59 Jähriger, der aussieht und spielt wie ein 45 Jähriger, ist seit vier Jahren in Pension. Er war Buchhalter bei der Staatsbahn SNCF.

Weil derartige Sonderrechte der Eisenbahn-Bediensteten in immer krasserem Missverhältnis zu den – laufend verringerten – Ansprüchen anderer Berufsgruppen stehen, ist die Staatsführung um Präsident Emmanuel überzeugt, dass sie den jetzigen Bahnstreik souverän aussitzen und den sozialen Sonderstatus der Eisenbahner zu Fall bringen kann.

Als Premier Edouard Philipp kürzlich auf der Pariser Landwirtschaftsmesse von einem Bahngewerkschaftler zur Rede gestellt wurde, antwortete er: „Ich kann nicht einerseits Bauern haben, die keinen Urlaubstag haben und vielleicht auch keine Rente bekommen werden, und andererseits den Status der Eisenbahner so belassen.“

Aber diese Logik, glaubt man den Umfragen, wird nur von einer sehr knappen und schwankenden Mehrheit in Frankreich geteilt. Fast die Hälfte der Bevölkerung steht dem Kampf der Bahn-Gewerkschafter mit gewissem Verständnis gegenüber. Ein Angestellter eines Architekturbüros meint: „Ich glaube Macron nicht, dass es uns in der Privatwirtschaft, besser gehen wird, wenn die Eisenbahner auf ihre Rechte verzichten. Im Gegenteil: wenn die aufgeben, werden unsere Bosse sich noch mehr herausnehmen.“

Der Status der Eisenbahner stammt aus dem Jahr 1920. Sie sind unkündbar. Theoretisch können Lokführer mit 52 und die übrigen Bediensteten zwischen 55 und 57 Jahren in Pension gehen. Jüngere Bedienstete müssen aber für eine Vollpension 43 Beitragsjahre vorweisen, weshalb immer mehr bis zu ihrem 65. Lebensjahr arbeiten – der normale gesetzliche Pensionsantritt erfolgt in Frankreich zwischen 65 (bei kompletten Beitragsjahren) und 67.

Das fahrende Bahn-Personal sieht im Status eine Entschädigung für extrem variable und lange Schichtdienste. Die Gehälter sind aber moderat: nach 37 Dienstjahren rund 1800 Euro netto – ohne 13.Monatsgehalt, das in Frankreich unüblich ist.

Eisenbahner sind privilegiert aber nicht unpopulär

Gut auf Schiene

Als Konzession an die Gewerkschaften will die Regierung diesen Status nur für Bedienstete kippen, die künftig angestellt werden. Die innere Mobilität bei der SNCF soll verstärkt werden, also rollendes Personal soll statt in Frühpension zu gehen, für weniger belastende Bereiche umgeschult werden. Wer zu einer privaten Bahnfirma wechseln muss, soll seine ursprünglichen Sozialrechte beibehalten.

Die von der EU beschlossene Öffnung des Bahnverkehrs für private Anbieter ist auch das Hauptargument für die Reform der SNCF. Bisher ist in Frankreich nur der Güterverkehr liberalisiert. Für die Hochgeschwindigkeitszüge ist die Marktöffnung ab 2020 obligatorisch. Die restlichen Bahnverbindungen sollen zwischen 2019 und 2039 erst sukzessive geöffnet werden.

Die Regierung sagt, die SNCF sei mit einer Verschuldung von 50 Milliarden Euro für den Wettbewerb nicht gerüstet. Allerdings ist diese Verschuldung zum erdrückenden Teil auf die Eröffnung und Forcierung von Linien des Hochgeschwindigkeitszuges TGV zurückzuführen. Der ominöse Eisenbahnerstatus schlägt dabei nur mit 430 Millionen jährlich zu Buche.

Insgesamt liegt die SNCF im internationalen Vergleich und bei ihrem Image im Inland gar nicht so schlecht: ihre durchschnittlichen Preisen sind beispielsweise deutlich geringer als die der ÖBB (7,8 Euro in Frankreich und 24 in Österreich pro 100 Km), bei der Pünktlichkeit ist sie der Deutschen Bahn überlegen (deren Verschuldung in der Höhe von 35 Mrd. Euro übrigens bereits vom Staat getilgt wurde). Die SNCF hat auch weniger Dienstnehmer pro Kilometer als etwa die DB.

Eine chronische Überlastung mit ständigen Verspätungen gibt es im Pariser Einzugsgebiet, wo die Pendlerverbindungen unter einem schweren Investitionsrückstand leiden. Das sorgt für massiven Ärger der Pendler. Die Bevölkerung ist aber trotzdem von der angestrebten Öffnung für private Anbieter nicht überzeugt, während ein Teil der Gewerkschaften, die Linksopposition und Rechtsaußen-Kräfte die Liberalisierung des Bahnverkehrs in den ärgsten Farben schildern und frontal bekämpfen.

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