Eine Stunde und viele Fragen an die Polizei

Die norwegischen Sicherheitskräfte geraten in gehörigen Erklärungsnotstand. Eine Stunde lang mordete Breivik unbehelligt auf der Insel.

Auch wenn die Trauer noch größer ist: Der Umstand, dass Anders Breivik eine Stunde lang unbehelligt auf der Insel Utøya Kinder ermorden konnte, ehe die Polizei eintraf, bringt die norwegischen Sicherheitskräfte in gehörigen Erklärungsnotstand. Und so wie es aussieht, war es eine ganze Reihe an Pannen und Problemen, die eben dazu führten. Die Polizei verteidigt aber ihre Handhabe der Situation. Oslos Polizeichef Anstein Gjengedal nahm am Montag zu den Vorwürfen Stellung. "Wir waren schnell da", sagt er.

Das Protokoll: Der erste Notruf trifft um 17.27 Uhr bei der Polizei ein. Zehn Minuten später wird in Oslo Verstärkung angefordert, die Sondereinheit "Delta" macht sich in Autos auf den Weg. Um 17.52 Uhr trifft dann eine erste Patrouille der regulären Polizei am Festland gegenüber der Insel ein. Sie muss jedoch erst ein geeignetes Boot anfordern, um übersetzen zu können. Anscheinend ergeht zugleich auch der Befehl an die Polizisten vor Ort, nicht eigenmächtig überzusetzen und auf das Eintreffen des Bootes sowie der Spezialeinheit "Delta" zu warten.

Polizeiboot in Not

Um 18.09 Uhr trifft die Spezialeinheit dann ein. Als die Sonderpolizisten mit ihrer schweren Ausrüstung in das angeforderte Polizeiboot springen, sinkt es aber beinahe, läuft voll Wasser und der Motor streikt. Letztlich werden Privatboote zum Übersetzen verwendet. Erst um 18.25 betreten die Sonderpolizisten zusammen mit örtlichen Beamten die Insel. Zwei Minuten später legt Anders Breivik seine Waffen nieder und lässt sich festnehmen.

Gjengedal verteidigte am Montag, dass die Entscheidung, die Spezialpolizisten per Auto die 45 Kilometer aus Oslo an den Tyrifjord zu bringen, völlig richtig war. Der einzige geeignete Hubschrauber der Militärs sei rund 50 Kilometer südlich von Oslo gestanden. Und der einzige Hubschrauber der Polizei, ein Überwachungshubschrauber, sei für einen schnellen Einsatz nicht bereit gewesen, weil das gesamte Personal auf Urlaub war.

Zugleich ließ der Polizist Kritik an politischen Entscheidungsträgern durchklingen. Denn man habe mehrmals in den vergangenen Jahren um einen neuen Transporthubschrauber gebeten. Jedoch vergeblich. Sie könne verstehen, dass man der Polizei ein zu langes Zögern vorwerfe, sagte die Polizeichefin des zuständigen Bezirksreviers in Hönefoss, Sissel Hammer. Sie bitte um Verständnis, dass es eben seine Zeit brauche, eine Spezialeinheit in Marsch zu setzen.

Breivik bereits im Visier des Geheimdienstes

Unterdessen wurde bekannt, dass Anders Breivik in der Vergangenheit doch im Visier des norwegischen Geheimdienstes (PST) war: Wie die PST-Chefin Janne Kristiansen am Montag dem Sender NRK erklärte, waren ihre Beamten bereits im März auf Breivik aufmerksam geworden. Der spätere Attentäter habe damals einem polnischen Händler von Chemikalien eine kleine Summe von umgerechnet 15 Euro überwiesen, die ihn auf entsprechenden Listen aufscheinen ließ. Für eine aktive Überwachung sei dies aber zu wenig gewesen.

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