Eine Frau geht in Führung

Doppelte Premiere.Selbst den meisten Rumänen sagt der Name Sevil Shhaideh wenig:Die 52-jährige frühere Ministerin für Regionalentwicklung agierte bisher stets im Hintergrund, immer im Schatten ihres politischen Mentors, Ex-Premier Liviu Dragnea. Demnächst aber könnte Shhaideh die Schlagzeilen beherrschen: Die Sozialdemokratin hat gute Chancen, Rumäniens erste Regierungschefin zu werden – und das noch dazu als Muslimin. Die Ökonomin gehört der türkischen Minderheit der Tataren an.

Korruption

Noch aber zögert Staatspräsident Klaus Iohannis. Die Bedenken des als absolut integer geltenden Staatschefs kreisen weniger um die potenzielle Regierungschefin als vielmehr um Ex-Premier Dragnea. Der hatte zwar vor elf Tagen mit seiner sozialdemokratischen PSD trotz massiver Korruptionsvorwürfe überraschend klar die Parlamentswahlen gewonnen. Premierminister darf er allerdings nicht mehr werden – wegen eines Gesetzes, das Politikern hohe politische Ämter untersagt, wenn sie einmal verurteilt wurden.

Dragneas Vergehen: Versuchter Wahlbetrug. Er fasste sogar eine zweijährige Haftstrafe auf Bewährung aus. Eine "ungerechte Verurteilung", wie der Ex-Premier diese Woche erneut beklagte. Und das "zutiefst verfassungswidrige Gesetz" hindere ihn nun daran, das "eigentlich ihm zustehende Amt" des Premiers wieder anzutreten.

Überraschung

Doch auf nicht zu gewinnende Kämpfe wollte sich Dragnea vorerst nicht einlassen. So schob er zur Überraschung aller Sevil Shhaideh nach vorne. Diese verfügt zwar über Erfahrung in der lokalen Verwaltung, gilt aber in der höheren Politik als ganz und gar einflusslos. "Indem Dragnea seine Vertraute Shhaideh in die erste Reihe holt, wird er die Regierung vollkommen kontrollieren, ohne dafür direkt die Verantwortung zu übernehmen", befürchtet der rumänische Politologe Sergiu Miscoiu. Und so plagt auch den Staatschef die Sorge: Bestätigt er Shhaideh, hat er indirekt auch die zutiefst diskreditierte Führungsschicht der Sozialdemokraten rund um Dragnea wieder mit am Tisch.

Dass mächtige Parteichefs eine loyale Parteifreundin ins Regierungsamt hieven, vom Hintergrund aus aber selber die Fäden ziehen – für dieses Beispiel muss man von Rumänien aus nicht weit blicken: nach Polen. Dort führt Regierungschefin Beata Szydło getreu aus, was Parteichef Jaroslaw Kaczynski vorgibt.

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