Am Londoner Flughafen Stansted wurde Assange Montagnachmittag, so berichtete es zunächst Wikileaks auf X, „freigelassen“. Ein Video zeigt ihn, wie er in Jeans und hellblauem Hemd ein Flugzeug besteigt. Dieses brachte ihn am Dienstag - nach einem Tank-Zwischenstopp in Bangkok - ins 12.000 Kilometer entfernte Saipan.
In der Hauptstadt der Marianeninseln wird Assange am Mittwoch um 9 Uhr vor Gericht erwartet. Die Inselgruppe im Pazifik auf halbem Weg zwischen Japan und Papa Neuguinea unterliegt der US-amerikanischen Rechtssprechung.
Bei der Anhörung soll Assange zu 62 Monaten Haft verurteilt werden. „Das Wichtigste“, sagte Stella Assange am Dienstag zur BBC noch, "ist, dass es sich bei dem Deal um eine abgesessene Zeit handelt." Sobald der Richter die Vereinbarung unterzeichnet hat, soll Assange also ein freier Mann sein.
Danach wird es weiter nach Australien gehen; ein Charterflug, der ihn insgesamt 465.000 Euro kostet.
Staatsfeind Nr. 1
Die USA hatten Julian Assange wegen Verschwörung zur Beschaffung und Weitergabe von Informationen zur Landesverteidigung angeklagt. Auf seiner Plattform Wikileaks hatte der gebürtige Australier 2010 geheime Informationen des US-Militär – die vor allem die Kriegsführung in Afghanistan und Irak betreffend – preisgegeben.
Daraufhin wurde ihm sieben Jahre lang in der Londoner Botschaft von Ecuador Asyl gewährt, danach saß er fünf Jahre lang in London hinter Gittern. Amerika bezeichnete die Leaks als „eine der größten Kompromittierungen von Verschlusssachen in der Geschichte der Vereinigten Staaten“.
Und so kam bereits scharfe Kritik an dem Urteil. Der ehemalige US-Vizepräsident Mike Pence bezeichnete es als „Justizirrtum“ und schrieb auf X: „Es sollte für niemanden, der die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten gefährdet, einen Deal geben, um das Gefängnis zu vermeiden. Niemals.“
Präzedenzfall Spionagegesetz
Während das Urteil für Julian Assange und sein Team der sehnlich erwartete Triumph ist, sind die Konsequenzen für die Pressefreiheit noch unklar.
Nach derzeitigem Informationsstand wird sich Julian Assange in einem einzigen Anklagepunkt (angeklagt war er in 18) schuldig bekennen - der Verletzung des US-Spionagegesetzes.
Es ist jener Präzedenzfall, vor dem sich viele gefürchtet haben. „Es bedeutet“, schreibt die australische Jus-Professorin Holly Cullen von der University of Western Australia am Dienstag in The Conversation, „dass jemand, der nichts weiter getan hat, als Informationen zu erhalten und zu veröffentlichen, nach den wichtigsten US-Gesetzen zur nationalen Sicherheit verurteilt wurde. Die Befürchtung ist, dass es jetzt, da es einmal passiert ist, vielleicht wieder passieren könnte.“
Julian Assange werde nach dem Schuldspruch um Begnadigung ansuchen, verriet Stella Assange noch gegenüber Reuters. Das Schuldeingeständnis in einem Spionagefall sei für Journalisten in aller Welt eine "sehr ernste Angelegenheit", sagte sie. Teil des Deals ist, dass Assange vom Präsidenten begnadigt werden kann, wenn sein Schuldspruch doch zu schwerwiegend ist. Darauf sollte sich aber niemand verlassen müssen: Sollte ausgehend von diesem Spionage-Urteil ein anderer Journalist verurteilt werden, dürfte sich dieser nicht auf die Begnadigung verlassen, die Assange erfahren soll.
Das neue Leben in Australien
Aufatmen traut sich Stella aber erst, wenn der Richter den Entscheid unterschrieben und Julian im Flugzeug nach Australien sitzt.
Ihren beiden Söhnen, die 5 und 7 Jahre alt sind, hat Stella Assange die Neuigkeit auch noch nicht verraten. Wegen der Sensibilität des Falles müssten sie ja sehr vorsichtig sein. „Und niemand kann einen Fünf- und einen Siebenjährigen davon abhalten, es von den Dächern zu schreien“, erzählte sie BBC-Journalistin Mishal Husain. Als sie am Sonntag mit ihnen zum Flughafen fuhr, habe sie ihnen gesagt, dass es eine „große Überraschung“ geben wird. Die drei werden in Australien auf Julian Assange warten.
Wie der Neuanfang in Australien weitergehen wird? Darüber hätten sie noch keine Zeit gehabt zu sprechen. „Julians Gesundheit hat derzeit Priorität“, sagte Stella noch. Die Natur, die Zeit gemeinsam, die Privatsphäre genießen. Und natürlich das neue Leben als Familie. Die beiden Söhne haben ihren Vater noch nie in Freiheit gesehen.
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