"Ein No-Deal ist weitgehend vom Tisch"

Britische Regierungschefin Theresa May in Brüssel.
Brexit: Österreichs Verhandler Gregor Schusterschitz ziehtim KURIER-Interview erste positive Bilanz.

Großbritannien rückt seinem Austritt aus der EU ein Stück näher: Nach den Hürden der ersten Verhandlungsphase geben die EU-Staats- und Regierungschefs heute grünes Licht für Verhandlungen über die zukünftige Zusammenarbeit mit London. Für Österreich verhandelt der Diplomat Gregor Schusterschitz, Österreichs Botschafter in Luxemburg, den Brexit.

KURIER: Kann ein Österreicher, der jetzt in Großbritannien, lebt, mit dem bisherigen Verhandlungsergebnis zufrieden sein?

Ja, ein Österreicher kann jetzt sein Leben im Vereinigten Königreich so fortsetzen wie bisher, alle Sozialleistungen und Pensionsansprüche bleiben wie in den anderen EU-Staaten erhalten. Auch wenn man als EU-Bürger erst jetzt nach Großbritannien geht, läuft alles weiter wie bisher – bis zum Austritt aus der EU, Ende März 2019. Möglicherweise sogar bis Ende 2020, sollte man sich auf eine Übergangsphase einigen. Diese könnte zwei Jahre dauern, möglicherweise auch länger.

"Ein No-Deal ist weitgehend vom Tisch"
Brexit-Verhandler Gregor Schusterschitz_Interview Ingrid Steiner-Gashi 13.12.2017

Parallel zum Scheidungsvertrag wird nun auch über das zukünftige Abkommen zwischen EU und London verhandelt?

Der Austrittsvertrag soll im Oktober 2018 fertig sein. Das fällt genau in die Zeit des sechsmonatigen österreichischen EU-Ratsvorsitzes. Österreich ist zwar bei den Verhandlungen mit Großbritannien nicht dabei, aber wir müssen das Ergebnis im EU-Rat durchbringen, und deshalb muss die Kommission mit uns im engsten Einvernehmen sein. Zudem soll auch für das künftige Abkommen bis zum Herbst der Rahmen stehen.

Wird dieses Zukunftsabkommen ein klassisches Freihandelsabkommen sein?

Das steht noch nicht fest. Die Briten haben rote Linien vorgegeben: Sie wollen nicht im Binnenmarkt bleiben, nicht in der Zollunion, man will nicht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes akzeptieren. Dann bleibt nur ein Freihandelsabkommen. Möglicherweise nach dem Vorbild des EU-Freihandelsabkommens mit Kanada (CETA).

Für CETA hat man acht Jahre lang verhandelt, wird es in diesem Fall auch so lange dauern?

Kanada und die EU haben unterschiedliche Rechtsordnungen. Aber bei Briten und der EU handelt es sich um die gleiche Rechtsordnung, dadurch könnte es eventuell viel leichter sein, ein Abkommen in kürzerer Zeit zu erreichen. Die größten Stolpersteine liegen eher in den unterschiedlichen Erwartungen der einzelnen EU-Staaten an die künftigen Beziehungen zum Vereinigten Königreich.

Besteht immer noch die Gefahr eines Scheiterns der Verhandlungen? Ein No-Deal?

Die Option eines No-Deals ist durch das bisher Erreichte weitgehend vom Tisch. Man kann sagen, dass die Wirtschaft dies- und jenseits des Ärmelkanals aufatmen kann.

Wie sehr behindern die Einwürfe der hartgesottenen Brexiteers in London die Verhandlungen ?

Es gab von beiden Seiten immer wieder Versuche, in die Suppe zu spucken. Da muss man einen kühlen Kopf bewahren, und beide Seiten müssen sich an das halten, was vereinbart wurde. Das hat bisher funktioniert, und das wird auch weiter funktionieren.

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