Präsident Macron hatte gleich nach dem Brand die Devise ausgegeben, dass die Kathedrale binnen fünf Jahren „noch schöner“ wiederaufgebaut werden soll. Doch daraus wird vermutlich nichts, denn auch nach einem Jahr sind die Sicherungsarbeiten noch in vollem Gange. Das größte Problem ist es, das Gerüst, das auf dem Dach steht, herunterzubekommen ohne dass das 850 Jahre alte Gewölbe einstürzt.
Seit einem Jahr sind Architekten, Archäologen, Naturwissenschafter und Kunsthistoriker damit beschäftigt, zu untersuchen, welchen Schaden das Feuer angerichtet hat.
Im renommierten Forschungslabor, „Laboratoire de recherche des monuments historiques“ (LRMH) werden Brocken aus dem eingestürzten Mauerwerk untersucht. Der Geologe Jean-Didier Mertz und sein Team müssen herausfinden, wie die Steine die sehr hohen Temperaturen des Feuers ausgehalten haben. Ob sie beschädigt sind und wiederverwertet werden können. Das Problem: Es gibt die alten Steinbrüche heute nicht mehr. „Wir wollen versuchen, neue identische Materialien zu finden“, sagt Mertz. Das gleiche gilt für den damals verwendeten Mörtel, der die Jahrhunderte überlebt hat, ohne Schaden zu nehmen. Auch den will man unter Einsatz modernster Techniken „auf die gleiche Weise wie damals“ wiederherstellen.
„Endgültige Resultate können wir noch keine liefern“, bedauert Mertz die zeitlichen Verzögerungen.
Doch bei den Untersuchungen habe man auch „architektonische Überraschungen“ entdeckt. Beim Vierungsturm aus dem 19. Jahrhundert hatte Architekten Eugène Viollet-le-Duc Doppelbögen montieren lassen, um das Gebäude zu stützen.
Hohe Bleibelastung
Ein riesiges Problem ist das Blei. Mehr als 200 Tonnen wogen die fünf Millimeter dicken Dachplatten, die beim Brand geschmolzen sind. Dazu kamen noch 250 Tonnen von dem ganz in Blei gefassten Vierungsturm.
Auch die Fenster der Kathedrale, die neun Tage nach dem Feuer aus dem Mauerwerk gelöst wurden, sind vom Blei belastet. Sie sind so giftig, dass die Chemikerin Claudine Loisel ihre Untersuchungen nur im Schutzanzug mit Mundschutz und Brille machen kann.
Ein Architektenwettbewerb zum Wiederaufbau von Notre-Dame de Paris wird erst im Juni 2020 ausgeschrieben, wenn die Coronaviruskrise nicht auch dieses Datum hinfällig macht.
Die Entwürfe einiger berühmter Architekten wie Notre-Dame mit Glasdach, mit Swimmingpool, mit Freilufttheater oder Urban Gardening auf dem Dach, wird es so eher nicht geben.
„Ich glaube die Kathedrale wird mit viel Respekt vor ihrer Bedeutung und ihrer Geschichte wieder auferstehen“, sagt die Direktorin des LRMH, Aline Magnien.
Knapp eine Milliarde Euro wurden bisher für den Wiederaufbau von 320.000 Spendern zugesagt oder bereits zur Verfügung gestellt.
Dass die reichsten Familien Frankreichs für ein Bauwerk spenden und nicht für Menschen in Not, hat für Häme und Kritik gesorgt.
Die Bekanntheit der Kathedrale von Paris ist untrennbar mit dem Roman „Der Glöckner von Notre-Dame“ von Victor Hugo verbunden. Millionen kennen die Hollywood-Verfilmung von 1956 mit Anthony Quinn und Gina Lollobrigida oder den Disney-Zeichentrickfilm von 1996. Die vermeintliche Liebesgeschichte von dem buckeligen Glöckner Quasimodo und der schönen Zigeunerin Esmeralda hatte aber in Wirklichkeit ein kulturpolitisches Anliegen. Im Zentrum des Romans steht die Kirche selbst und ihre Bedeutung für das spätmittelalterliche Paris. Der Autor brach eine Lanze für die gotische Architektur.
Heute gilt das Werk als eine Initialzündung für den modernen Denkmalschutz.
Die Dornenkrone wurde von Kaiserin Helena in Jerusalem gefunden und später nach Konstantinopel gebracht. Von dort gelangte sie 1239 im Gepäck des Kaisers Balduin II. nach Frankreich. Dort nutzte der französische König Ludwig, genannt der Heilige, die finanziellen Nöte des Kaisers aus und kaufte ihm die Dornenkrone ab. Im Büßergewand brachte er sie nach Paris.
Notre-Dame ist eben viel mehr als nur ein Bauwerk. Es ist eines der wichtigsten Symbole des christlich-jüdischen Abendlandes.
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