Drei Wochen lang Flüchtling sein: Debatte um polnische TV-Show

Sechs Freiwillige begeben sich mit einem Filmteam auf Flüchtlingsrouten. Der Sender TVN kopiert eine australische Reality Show (Bild)
Sechs Teilnehmer machen sich ohne Geld auf den Weg nach Nahost. Sender will Bewusstsein schaffen.

Der Sender TVN hat mit der Ankündigung seiner neuesten Reality Show für Aufsehen gesorgt. Für die Sendung, die ab November in Polen ausgestrahlt werden soll, sind sechs Teilnehmer und der bekannte Moderator Piotr Krasko knapp einen Monat lang auf Flüchtlingsrouten unterwegs gewesen. Ohne Geld, ohne Pass und ohne Smartphone mussten sie in der Show, "Wracajcie, skąd przyszliście" („Geht dahin zurück, wo ihr herkommt“) von Polen über Flüchtlingsrouten via Deutschland, Österreich, Ungarn, Serbien und Griechenland in Richtung Kurdengebiete „flüchten“. Auf ihrer Reise werden sie in Flüchtlingslager geschickt, müssen mit Schlepperbooten übers Meer und treffen mit Menschen zusammen, die selbst auf der Flucht waren, sowie Menschen, die von Flüchtlingen nichts wissen wollen.

Alles begleitet von einem Fernsehteam.

„Die Teilnehmer haben die Möglichkeit, die Realität von Flüchtlingen kennenzulernen, die sie bisher nur im Fernsehen gesehen haben“, heißt es beim Sender TVN, der mit der Show „Bewusstsein schaffen“ will.

Der Privatsender ist in Polen populär und gilt als regierungskritisch. Die rechtskonservative Regierung der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) verfolgt seit ihrer Machtübernahme 2015 eine restriktive Flüchtlingspolitik. Konsequent legt sie sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten in Polen quer. Ganz abgesehen von der fremdenfeindlichen Rhetorik, die die Regierung und deren Anhänger angenommen haben. Sie gipfelte in der Behauptung von PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski, dass Flüchtlinge Krankheiten wie Cholera und Parasiten nach Europa brächten.

Meinungen geändert

Die Hälfte der Programmteilnehmer war vor Beginn der Aufzeichnungen der Aufnahme von Flüchtlingen gegenüber kritisch eingestellt. Die andere Hälfte war dafür, dass Polen Menschen aus Krisengebieten aufnehmen solle. „Es gab keine Frage, die nicht diskutiert wurde“, sagt Piotr Krasko. Er selbst sei es gewesen, der während der Reise oft Diskussionen über die verschiedensten kontroversiellen Themen angestoßen und Programmteilnehmer ermutigt habe, mit den Menschen zu sprechen, die sie auf ihrer Reise getroffen haben.

„Wir hatten ein Gespräch am ersten Tag der Reise und eines am letzten Tag“, erzählt TV-Host Krasko. „Die Ansichten haben sich sehr verändert – auch meine!“

Dass die Show allerdings tatsächlich Bewusstsein für das Leid von Flüchtlingen bildet, können viele in Polen nicht glauben. „Ein Flüchtling zu sein, bedeutet nicht, kein Handy zu haben“, sagt ein Kommentator. „Es bedeutet, keine Wahl zu haben.“ Der TVN-Programmchef ist sich bewusst, dass Migration ein „politisch sensibles und potenziell kontroversielles Thema“ ist, „aber wir wollen mit der Show eine Stimme in der Debatte haben“.

Die Sendung basiert auf der Reality Show „Go back to where you came from“ des australischen Senders SBS, die 2011 gestartet ist. In Deutschland hatte 2013 die ZDF-Show „Auf der Flucht – das Experiment“ nur wenige Zuschauer, dafür umso heftigere Kritik angezogen.

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